Ohne den anderen - und in der Tat exzellenten - Akteuren zu nahe treten zu wollen: Natürlich ist Manfred Krug der Star an diesem Sonntagabend im Kongresszentrum Suhl. Um ihn geht's zu aller erst. Seit DDR-Zeiten weiß der Haudegen gediegener Unterhaltung, dass es nicht allein die Musik ist, die das Publikum lockt - sondern ebenso seine Sprüche. Vorgetragen in einer schnodderigen Art, mit der Krug auch all seine Rollen ausfüllte. Dazu schwebt die Frage im Raum, wie lang man den Herrn noch auf der Bühne bewundern darf. Vom Bildschirm hat er sich vor Jahren verabschiedet. Und gestern sein 73. Lebensjahr vollendet.

Da liegt es nah, dass die Konzert-Dramaturgie den Auftritt maximal verzögert. Erst soll sich das Publikum, vom CCS-Personal zwecks Füllung verschämt lückenhafter Stuhlreihen flugs in die Saalmitte gedrängt, mit den anderen Künstlern des Abends erwärmen. Als da wären: Das Berlin Jazz Orchestra. Marc Secara, Orchester-Gründer, und Jiggs Wigham, musikalischer Leiter der Band. Sowie die beiden Legenden des DDR-Jazz, Sängerin Uschi Brüning und Saxophonist Ernst-Ludwig Petrowsky.

Junger Sänger überrascht

Allesamt weit mehr als Füllmaterial für einen Krug. Der Amerikaner Wigham gilt als internationaler Großmeister an der Posaune und hat dies etwa 2006 bei den Sonneberger Jazztagen bewiesen. Petrowsky hob einst den Jazz in der DDR mit aus der Taufe, Brüning gab ihm seit Beginn der 1970er Jahre ihr Gesicht. Und all dieses versammelte Charisma schnürt dem 1976 geborenen Marc Secara nicht etwa die Kehle zu. Nein, der vergleichsweise junge Sänger überzeugt mit selbstbewusster Eleganz und einer zeitlosen Stimme. Die Entdeckung des Abends.

Was Manfred Krug ihnen allen doch voraus hat - und wovon sie zehren - ist sein Grenzgängertum. Schauspieler, Schlagersänger, Textdichter, vom Regime gehegter Semi-Dissident, singender Kommissar und obendrein entschuldigter Aktionärs-Verführer - dafür, für was Krug so stand und steht, überrascht sein uneitler Auftritt in Suhl. Zerbeulte Hose, brauner Wollpullover, einigermaßen gekrümmter Rücken: Es ist kein Harald Juhnke, der da vorn wie zufällig auf die Bühne schlendert, als liefe er um den Suhler Herrenteich spazieren.

Natürlich kann er singen, das steht außer Zweifel. Und zwar in einer Art, die gut zu seinen eigenen Texten und Übersetzungen passt: Bei denen weiß man auch nicht immer genau, wo die feine Ironie in einen Hauch von Kitsch umschlägt. Zumal bei der Sanftheit des Krugschen Vortrags. Die Zärtlichkeit seiner Stimme passt gut zu seiner Angewohnheit, das Mikrofon mit beiden Händen vor sein Gesicht zu halten. Zu seiner hünenhaften Statur passt sie vielleicht etwas weniger. Aber was macht das schon?

Es macht auch nichts, dass die eindringlichsten Lieder des Abends nicht unbedingt nur die sind, die er singt. Allen voran jenes vom Sehnsuchtsmonat September, bei dem Uschi Brüning der Lyrikerin Eva Strittmatter ein musikalisches Denkmal setzt. Oder das karibisch angehauchte Stück "St. Thomas" des amerikanischen Saxophonisten Sonny Rollins, bei dem nicht zuletzt die Rhythmusgruppe der Bigband um Gitarrist Jean-Francoise Prins, Pianist Claus-Dieter Bandorf und Bassist Ralf Kessler glänzen darf.

Im Duett mit Uschi Brüning

Die beste Leistung des Manfred Krug ist das Duett "Mach's gut ich muss geh'n". Ein fein beobachtetes Beispiel zwischenmenschlichen Zwiegesprächs darüber, ob die junge Dame nun beim älteren Herren übernachtet oder nicht. Die Bläser mit punktgenauer Untermalung, und Krug wie Uschi Brüning merkt man den Spaß an der Darbietung deutlich an.

Mitunter schleicht sich ein wenig Routine in die instrumentalen Momente, was nicht verwundern kann, wenn man weiß, dass die Truppe mit diesem Programm schon seit einigen Jahren unterwegs ist. Schlimmer, dass vor allem Wigham etwas zu selbstgefällig wirkt, wenn er im Minutentakt die Leistung des eigenen Orchesters lobt und preist.

Über so eine Ader verfügt Krug glücklicherweise nicht. Lieber berichtet er vom Scheitern. Erzählt, wie seine Platten in Westdeutschland floppten. Und klingt dabei nicht nach Anbiedern oder Koketterie. Einer wie der Biermann-Freund Krug darf beiläufig sagen, dass in der DDR nicht alles, aber vieles schlecht war, und dass die sozialistische Kulturhaus-Ideologie Nischen öffnete, die einer wie er zu nutzen wusste.

Am Ende steht das Publikum und rührt den großen Mann auf der Bühne. Die Frage, ob dieser Manfred Krug so schnell sein Adieu verkündet von der Bühne, scheint vorerst ausgeräumt. Dafür wirkte er einfach zu gelassen. Und doch darf man vorsorglich froh sein, ihn noch einmal gesehen zu haben.