Feuilleton
Ein Schneiderlein für eine "unendliche Faszination"
Nach zwei Märchen-Erzählern als Preisträger erhält in diesem Jahr eine ausgewiesene Märchen-Forscherin das Meininger "tapfere Schneiderlein": Die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Ruth B. Bottigheimer.

Alle zwei Jahre wird der Thüringer Märchen- und Sagenpreis in memoriam Ludwig Bechstein in Meiningen vergeben - in diesem Jahr zum zehnten Mal. Erzähler, Karikaturisten und auch Forscher durften die Preisfigur - das von der Mehmelser Künstlerin Eva Skupin geschaffene "tapfere Schneiderlein" in den zurückliegenden knapp 20 Jahren bereits nach Hause tragen. Nebst dem Preisgeld in Höhe von 2 500 Euro, das Rhön-Rennsteig-Sparkasse und Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thüringen zur Verfügung stellen.
Vielleicht ist es gar kein Zufall, dass auf den afrikanischen Erzähler Mensah Weckenon Tokponto (2015) und die türkische Erzählerin Nazli Çevik Azazi (2017) nun wieder eine Wissenschaftlerin an der Reihe ist: Die Jury entschied sich für die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Ruth B. Bottigheimer - weniger, weil es die deutsche Literatur ist, für die Bottigheimer brennt, sondern weil sie mit ihren sozialhistorischen Studien über deutsche Märchen einen unschätzbaren Beitrag dazu geleistet hat, diese besondere Literaturgattung als das zu verstehen, was sie ist: Weltliteratur. Immerhin denkbar, dass ausgerechnet der zehnte und damit ein Jubiläums-Preis dieses lebenslange Forschen explizit würdigen möchte. Denn die Kunst des Erzählens, das Publikum in eine Welt der Fantasie zu entführen, ist das eine. Sich mit den Texten beschäftigen, sie erklären und deuten, das andere. Bottigheimer, die Ende der Fünfzigerjahre als Amerikanerin in München Geschichte und Deutsche Literatur studiert und als junges Mädchen auf dem Wellesley Collage in Massachusetts Latein, Spanisch und Deutsch lernt, hat sich ein Leben lang vor allem mit den deutschen Märchen und ihren Weg durch die europäische Kulturgeschichte befasst. Und sie dadurch sozusagen verstehen und entschlüsseln gelernt.
Dazu müsse man nicht nur Lust haben, sondern eine "unendliche Faszination verspüren", sagt die Leipziger Volkskundlerin und Märchenforscherin Kathrin Pölke-Alder über die diesjährige Preisträgerin bei der Preisverleihung am Donnerstagabend im Meininger Theatermuseum. Pölke-Alder begleitet den Thüringer Märchen- und Sagenpreis seit 2001 - und hat die Wissenschaftlerin vor vielen Jahren während eines Forschungsaufenthalts in den USA kennen und schätzen gelernt. Sie durfte nun die Laudatio halten. "Ruth B. Bottigheimer stellt Fragen, die eigentlich auf der Hand liegen", so Pölke-Alder. Die mühsame Suche nach Antworten, also die Forschung, zeitige komplexe Zusammenhänge der Sozialgeschichte: Etwa, wenn Bottigheimer der Frage nachgeht, warum Frauen im Märchen (etwa der Gebrüder Grimm) häufig als schweigsam dargestellt werden, oder warum der Zorn häufig als Privileg der Männer im Märchen erscheint, dagegen "romantische Muster" in sogenannten "Frauen-Märchen" erscheinen. Um die Interpretation solcher geschlechterspezifischen Ausprägungen des Erzählstoffs hat sich Bottigheimer verdient gemacht - und es liegt natürlich auf der Hand, dass sie damit weit in die Sozial- und Kulturgeschichte vor allem des 19. Jahrhunderts vordringt.
Die Preisverleihung haben Ibrahim Bajo und Ulrike Kaiser musikalisch begleitet. Die Märchenerzählerinnen Sabine Kolbe (Berlin) und Suse Weisse (Potsdam), Preisträgerinnen 2005, gaben kleine Kostproben. Allerdings: Das märchenhafte Fachpublikum, das auch das Symposium gestern bestimmte, blieb weitgehend unter sich. Die elfte Preisverleihung 2021 sollte sich dringend auch mit der Frage beschäftigen, wie diese Preis mehr Öffentlichkeit gewinnt - mithin populärer wird.
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