Rudolstadt - Nicht alle Tage, so viel ist sicher, wird in Thüringen ein neues Museum eröffnet. Mitunter passiert es aber doch. Fast immer dauerte die Vorbereitung Jahre, kamen glückliche Fügungen zu Hilfe, mussten steinige Wege beschritten werden. Wenn der Rudolstädter Bürgermeister Jörg Reichl heute Nachmittag - symbolisch freilich - den Schlüssel im Türschloss des neuen Schillerhauses umdreht und der Ministerpräsident dazu freundlich applaudiert, dann darf sich nach jahrzehntelangem Mühen nicht nur Rudolstadt mit einer Touristenattraktion, sondern ganz Thüringen mit einer Kulturstätte par Excellence beschenkt fühlen.

Das mag ein wenig pathetisch klingen. Doch das Ereignis ein Geschenk zu nennen, scheint nicht übertrieben. Geht es doch, bei aller Wertschätzung für das ländliche Brauchtum, nicht um die Eröffnung einer neuen Heimatstube. Sondern um ein neues Schillermuseum am authentischen Ort. Zum ersten Mal dient das bis heute erhaltene, jahrhundertelang als Wohnhaus genutzte und nun restaurierte "Lengefeldische Haus" - jener Ort also, an dem sich Friedrich Schiller in seinem "Rudolstädter Sommer" 1788 vornehmlich aufhielt - als Museum. Es ist ein Versuch, genau jene Lebensjahre des Dichters zu beschreiben, die bislang nur aus der Literatur bekannt sind: In Rudolstadt liefen sich Goethe und Schiller zum ersten Mal über den Weg. In Rudolstadt traf Schiller mit seiner späteren Frau Charlotte von Lengefeld und ihrer Schwester, Caroline von Beulwitz, zum ersten Mal zusammen. "Es ist hier eine herrliche Gegend und im Beulwitzischen und Lengefeldischen Haus habe ich mich überaus wohl", schrieb Schiller am 20. August 1788 an Gottlieb Hufeland. Das mag man gerne glauben, fand doch die aufregende Ménage à trois zwischen Schiller und den beiden Frauen in eben jenem Haus statt.

Wende im Leben

Sicherlich, Jena und vor allem Weimar sind als Wohn- und Wirkungsstätten des Dichters längst nationale Pilgerstätten. An der Aufenthaltsdauer gemessen verbrachte Schiller in Jena zehn und in Weimar sieben Jahre. In Rudolstadt sind es, bei verschiedenen Aufenthalten von 1787 bis 1799, zusammengerechnet elf Monate. Nur wenig mehr also, als die Bauerbachsche Zeit des Dichters misst. Dennoch lässt sich die Rolle, die Rudolstadt bei Schiller spielt, nicht an der Aufenthaltsdauer messen. Lutz Unbehaun, Direktor des Museums auf der Heidecksburg, interpretiert diese Zeit in seinem vor wenigen Tagen erschienenen Buch "Schillers heimliche Liebe" als Wende im Leben des Dichters. "Schiller konnte während des Rudolstädter Sommers jene familiären Erfahrungen machen, die ihm bisher fehlten", schreibt Unbehaun. "Diese Zeit gab ihm den Glauben an sich selbst, Mut und Zuversicht und motivierte ihn für die weitere schöpferische Arbeit."

Dies und wohl auch die Aussicht, einen Touristenmagneten am Fuß der Heidecksburg zu schaffen, waren Motivation genug für die Rudolstädter, den langen Weg zur Einrichtung eines neuen Museums zu beschreiten. "Wir wollten keine Eintagsfliege, sondern etwas Bleibendes schaffen", blickt Jörg Reichl zurück. Bereits 1996 kaufte die Stadt, ausgestattet mit einer privaten Spende, das Haus, das bis dahin vermietet und damit auch heruntergelottert wurde. Es gehört zu den wenigen authentischen Schillerstätten hierzulande, die von Kriegszerstörungen verschont blieben. Erst 2005 konnte Rudolstadt das Geld zur umfassenden Sanierung auftreiben. "Museum und Gaststätte" soll es nach den Worten des Bürgermeisters künftig sein. Ein Kleinod, eingebettet in einen wunderschönen Garten. Den sprichwörtlichen Mantel der Geschichte, der in den originalen Räumen weht, soll im Haus mit moderner Museumstechnik verbunden werden. Gesamtkosten: Rund zwei Millionen Euro.

Klares Marketingkonzept

Auch ein Marketingkonzept hat die Stadt beschlossen. Mit "Rudolstadt - Schillers heimliche Geliebte" wirbt sie seit einiger Zeit - nicht nur an der Saale, sonder auch auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin oder in der Schweiz. Ein Spruch, der wie die Faust aufs Auge passt, wie es so schön heißt und unschwer erkennen lässt, dass da Profis am Werk waren. Natürlich gibt es die obligatorischen Aufkleber und Lesezeichen. Man habe sogar schon nachordern müssen, sagt Kulturamtsleiterin Petra Rottschalck. In Zusammenarbeit mit "Rotstern" in Saalfeld wurden kleine Schokoladentäfelchen produziert, die es in allen Gaststätten Rudolstadts zum Kaffee geben soll. Wer mehr Süßes mag, kann zu Schillerpralinen greifen. Eine besondere Idee: Drei Schauspieler des Rudolstädter Theaters schlüpfen in die Rolle von Friedrich Schiller, Caroline von Beulwitz und Charlotte von Lengefeld. Sie sind die Imageträger der Stadt, die auf allen möglichen Dingen auftauchen. Dazu gibt es Taschen, Schirme, Tassen, den Schiller-Wein "Rudolstädter Geisterseher" vom Kloster Schulpforta oder sogar einen zusammensetzbaren Schillerkopf aus Ankerbausteinen.

Ob all diese Ideen am Ende mehr Touristen nach Rudolstadt lotsen werden, bleibt abzuwarten. Die Chancen dafür stehen aber nicht schlecht. Verbindet sich doch im neuen Schillerhaus ein Thüringer Klassiker mit einem modernen Museumskonzept. Und ein bisschen Imagepflege mit des Dichters Konterfei wirkt ausgesprochen frisch im mancherorts arg angestaubten Thüringer Museumsbetrieb.