Fünfhundert Reichstaler. Das verdiente im frühen 18. Jahrhundert ein wohlsituierter Professor im Jahr. Schriftsteller verdienten in jener Zeit keine fünfhundert Reichstaler. Selten konnten sie ihre Familie überhaupt für eine längere Zeit durch ihr Schreiben ernähren. Johann Gottfried Gregorii war die Ausnahme. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere, dem Jahr 1715, erschrieb er sich mit Autorenhonoraren fünfhundert Reichstaler. Gerade dreißig war er da und lebte in seiner Wahlheimat Arnstadt.

Wie ihm dieser Erfolg glückte, das stellt das Schlossmuseum Arnstadt in seiner neuen Sonderausstellung vor. Es ist eine Schau für Bibliophile, die kostbare Leihgaben aus Bibliotheken und Archiven aus Göttingen, Weimar, Jena und Dornheim sowie von einem Privatsammler zeigen. Die Bücher belegen die Lebensleistung des Theologen und Universalgelehrten, der weithin bekannt wurde nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als visionärer Historiker und Geograf. Mit seinen Werken schuf er im Barock teils völlig neue Bücherkategorien, die oftmals erst die Nachwelt wirklich zu würdigen wusste.

Aus der kleinen Residenzstadt der Fürsten zu Schwarzburg-Sondershausen heraus publizierte Johann Gottfried Gregorii - meist unter seinem Pseudonym Melissantes - deutschlandweit bekannte sowie international wahrgenommene geografische Werke für Schüler, Reisende, Bürger und Bauern. Darin erklärte er geografische Grundbegriffe, beschrieb Länder, Regionen, Grenzen, Abmessungen, Flüsse und Regierungsformen, Währungen, die Geschichte und die Stereotypen der Nationen. Ein Lehrstil, der den Nerv der Zeit traf.

Der erste kleinformatige Schulatlas, der "Atlas portatilis, Oder Compendieuse Vorstellung Der gantzen Welt" von 1717, kombiniert die Texte Melissantes' mit aufwendigen Karten von Johann Christoph Weigel. Einige der kunstvollen kolorierten Kupferstiche, etwa die Sternenkarte, sind als Beispiele in der Schau präsentiert. Wenige Jahre später folgt als Fortsetzung - nun illustriert von Adam Friedrich Zürner - der "Atlas portatilis germanicus".

Erster Thüringenführer

Mit "Das jetzt florierende Thüringen" von 1711 verfasste er den ersten Thüringenführer, der wohl auch der erste deutsche Regionalführer überhaupt war. Der Leser erfährt daraus unter anderem Angaben zu den Sehenswürdigkeiten und der Hotellerie des Gebietes. Nur zwei Jahre später erscheint wieder eine Novität aus seiner Feder, eine Burgenliteratur mit dem langen Namen "Das Erneuerte Alterthum, Oder Curieuse Beschreibung einiger vormahls berühmten, theils verwüsteten und zerstörten aber wieder neu aufgebauten Berg-Schlösser in Teutschland".

Bienenfleißig und visionär - diese beiden Eigenschaften gelten auch für sein weiteres Schaffen. Sieben Jahrzehnte vor dem Freiherren Knigge erscheint ein bekanntes Benimmbuch von Johann Gottfried Gregorii, welches unter anderem Anregungen zu einer klugen Berufswahl gibt. Ludwig Bechstein, Achim von Arnim und die Brüder Grimm schätzen seine Sagenüberlieferungen, darunter "Der Rattenfänger von Hameln", "Wilhelm Tell", "Faustens Höllenzwang" oder die Kyffhäusersage.

Durch sein so vielfältiges und umfangreiches Werk gewährt der Autor, der ab 1720 bis zu seinem Tod 1770 als lutherischer Pfarrer dient, einen authentischen Einblick in die Welt des Barock. In die Hand nehmen und selber in Ruhe lesen und anschauen müsste man die Bücher mit ihren reichen Illustrationen nach dem Besuch der Schau. Möglich ist das natürlich nicht, was es schwer macht, diesem Gelehrten - bei allem Eindruck, den er hinterlässt - wirklich näher zu kommen. Aber neugierig ist man, ihn noch besser kennenzulernen, wofür die Ausstellungsgespräche Gelegenheit geben. Fünf sind es. In einem wäre diesem Mann kaum gerecht zu werden.

Sonderausstellung "Melissantes. Ein Thüringer beschreibt die Welt des Barock" bis zum 8. März im Schlossmuseum Arnstadt; geöffnet Di bis So von 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr. Kurator Carsten Berndt bietet begleitend am 12. Dezember, am 16./30. Januar sowie am 13./27. Februar Ausstellungsgespräche an; Beginn ist jeweils 14.30 Uhr.