Den Schriftsteller von heute ernähren nicht allein Luft und Liebe. Und gar höchst selten allein die Erlöse der Dichtkunst. Nicht einmal Jens-Fietje Dwars, einer der umtriebigsten Literaten des Thüringer Landes - und heute Abend in Zella-Mehlis zu erleben - kann sich der Pflicht der Verwertung entziehen. Also empfängt er nicht im bis unter die Decke mit Büchern gefüllten Arbeitszimmer unweit Jenas Innenstadt. Sondern im Café unter der lichtdurchfluteten Kuppel eines Einkaufszentrums.

Für das entwirft, textet und gestaltet er das monatliche PR-Magazin. Er hieße nicht Jens-Fietje Dwars, würde er daraus ein verschämtes Geheimnis machen. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral, hat einst Brecht seinen Mackie messerscharf analysieren lassen. Ideologisch verbrämt sieht auch Dwars den Zwiespalt zwischen hehrer Kunst und schnödem Geldverdienen nicht an. Letzteres ermöglicht ihm, sich um ersteres zu kümmern.

Vor fünf Jahren übernommen

Und zwar streitbar. Die Interessen hiesiger Literaten vertritt er als Redakteur des Thüringer Literaturjournals Palmbaum. Gleichzeitig nimmt er sich die Unabhängigkeit, sperrige Themen ins Blatt zu heben und Autoren gelegentlich gegen sich aufzubringen. Etwa mit einem geplanten Interview des umstrittenen, einstigen Kultusminister-Kandidaten Peter Krause. Oder mit kritischen Rezensionen von Büchern Thüringer Autoren - was in einer überschaubaren Literaturlandschaft durchaus Mut erfordert.

Dem Palmbaum seit dessen Gründung 1993 verbunden, übernahm Dwars vor fünf Jahren die Redaktion. "Damals war das Projekt klinisch tot." Heute hat Dwars dem Aushängeschild Thüringer Dichtkunst, das zweimal im Jahr erscheint, ein eigenes Gepräge verpasst. Dazu zählen anspruchsvoll von zeitgenössischen Künstlern gestaltete Umschläge. Und die 200 Seiten dazwischen: Schwerpunktthemen, Debatten, Nachrichten, dazu Prosa, Lyrik und Buchbesprechungen.

Das 50. Heft haben 50 Autoren gefüllt: Der spöttische Biskupek, die erfolgreiche Antje Babendererde, Reportage-Papst Landolf Scherzer, Zeit-Autor Christoph Dieckmann, die Kolumnisten unserer Zeitung Friedrich Schorlemmer und Lutz Rathenow. Dwars: "Wir fassen Thüringen weit."

Ingo Schulze, der Gewinner des Thüringer Literaturpreises 2007, wird im Jubiläumsheft zu einer Debatte interviewt, die im Palmbaum geführt wurde und deutschlandweit Schlagzeilen machte. Schulze hatte in der Dankesrede das Sponsoring des Preisgeldes durch einen Strom-Konzern aufs Korn genommen. Solch renommierte Autoren kann Dwars nicht mit üppigen Honoraren locken. Die Auflage spielt die Kosten nicht ein, der Zuschuss des Kultusministeriums ist gering. Doch das Renommee überzeugt. Dabei hadert Dwars mit der vergleichsweise gering bezahlten Arbeit: Es gibt auch sonst genug zu tun.

An 25 Büchern hat er sich aufgerieben, als Autor und Herausgeber. Die Bedeutsamsten davon sind sicherlich die vielgerühmten, jeweils im Aufbau-Verlag erschienenen Biografien des Dichters Johannes R. Becher 2003 und des Schriftstellers, Dramatikers, Malers und Filmemachers Peter Weiß 2007. Über beide entwickelte Dwars auch jeweils mit Grimme-Preis geadelte Film-Biografien mit.

Ausstellungen und Preise

Faszination empfindet Dwars auch für Friedrich Nietzsche. Mit dem Philosophen verbindet ihn schon die Herkunft: Er wurde 1960 in Weißenfels geboren, Nietzsche 1844 im 13 Kilometer entfernten Röcken. Die Ausstellung in der Nietzsche-Gedenkstätte hat Dwars gestaltet, dazu jene in der Menantes-Gedenkstätte in Walterhausen. Für die er auch gleich einen Gedenkpreis für erotische Literatur organisiert.

Im Jenaer Quartus-Verlag betreut er die Edition Ornament, in der zuletzt das Suhler Schriftsteller-Ehepaar Ursula und Siegfried Schütt mit Märchen und Fabeln zu gefallen wusste. All dies wächst im langsam aber sicher über den Kopf.

Deshalb wünscht sich Dwars, das Ministerium möge den Palmbaum-Anteil aufstocken. Die Rede ist von 20 000 Euro jährlich für das gesamte Projekt. Geld, dass Dwars anderen Künstlern nicht wegnehmen will: Der Etat soll sowieso wachsen, sagt er. Geht es nicht, sieht er sich gezwungen sein Engagement für den Palmbaum einzuschränken. Es wäre wohl eine gute Nachricht für ein Jenaer Einkaufszentrum, aber eine schlechte für die Thüringer Literatur.

Zusammen mit Ursula Schütt stellt Jens-Fietje Dwars heute ab 20 Uhr die Literaturzeitschrift Palmbaum und die besten Texte zum Menantes-Preis für erotische Dichtung in der Galerie im Bürgerhaus Zella-Mehlis vor.