Lessing und Dorn. Die haben's geschafft. In vielfacher Hinsicht. Beim Tatort-Preview am Mittwoch im voll besetzten Deutschen Nationaltheater haben sie zum siebten Mal in Weimar Mörder der übelsten Sorte dingfest gemacht. In trübe Kloßbrühe haben sie Klarheit gebracht, dem Zuschauer dabei den unbekannten Weg von der Kartoffel zum Kloß gezeigt. Und als "Lessing und Dorn" haben sie es mittlerweile sogar in die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia geschafft. Aber da sind alle fiktiven Kriminalkommissare aus Deutschlands beliebtester TV-Reihe aufgeführt.

Die riesige dunkelblaue Zielscheibe prangt weithin sichtbar durchs obere Theaterfoyer, davor schubsen sich die Schauspieler, der Regisseur, Autoren und sonstige Macher des neuen MDR-Tatorts gut gelaunt in die richtige Aufstellung, die offensichtlich keiner so genau kennt. Dicht dran die Meute, Fotografen entfachen ihr Blitzlichtgewitter, sie rufen "Frau Tschirner, bitte hierher!", "Jetzt bitte dahin!", die Fans nippen glücklich an ihrem Sektglas und schießen Selfies, meist ohne Promis, denn die sind ganz schnell wieder weg.

Oder erst gar nicht gekommen. Christian Ulmen, im Krimi der belesene Lessing, glänzt mal wieder durch Abwesenheit, Termine oder krank oder doch alles nur Ausreden? Da ist so etwas wie freundschaftliche Schadenfreude zu spüren, als Nora Tschirner, deren Kira Dorn aus dem Bauch heraus agiert, das gesamte Preview-Publikum dazu bringt, ihren Kollegen per Handyvideo im kraftvollen Chor zu fragen, ob es denn sein kann, dass er lüge. Tschirner war bei jeder der sechs Vorpremieren dabei. "Das Publikum ist wohlwollend, aber nicht total bestechlich", sagt sie. Deshalb komme sie gern. Lust auf Weimar hatten unter anderen auch die Schauspieler Anne Schäfer, Nicki von Tempelhoff und Arndt Schwering-Sohnrey.

Ulmens Fernbleiben ist indes nicht die einzige Wiederholung. DNT-Intendant Hasko Weber verkürzte allerdings den obligatorischen Interviewmarathon auf der Bühne deutlich und Nora Tschirner hatte offensichtlich ihre früheren Bühnenfaxen selber dicke und gab sich mäßig aufgedreht. Der erste Preview im Dezember 2013 katapultierte noch ganz Weimar aus dem Häuschen, hitzige Fans auf der Suche nach Karten umlagerten das DNT, als ob sie ahnten, dass im Gebäude etwas zu Strahlen beginnt, was bisher matt unter dem Glanz der von der Hochkultur dominierten Klassikerstadt blieb: Skurrilität, Absurdität, Humor.

Beim Event am Mittwoch überwog die Routine, ein Publikumsmagnet wird er dennoch bleiben. Die Liebe und Sehnsucht zu den stets verrückten, aber auch immer zu Herzen gehenden Figuren der Autoren Murmel Clausen und Andreas Pflüger und ihren Darstellern sind bei den Fans fest verankert.

Der siebte Fall des Weimarer Ermittlerduos und Pärchens Lessing (Christian Ulmen) und Kira Dorn (Nora Tschirner) folgt allen Regeln ihrer Kunst, heißt "Die robuste Roswita", trieft vor Witz und frechen Sprüchen und spießt nach der Thüringer Bratwurst und dem Porzellan nun endlich auch die hiesigen Klöße auf. Unter der Regie von Richard Huber tummeln sich im wahnwitzigen Weimar wieder jede Menge zwielichtige Gestalten. Und nebenbei entstehen auch noch werbewürdige "Ideen von Welt", die sich die kreativen Autoren haben einfallen lassen: Nach der "fetten Hoppe" und dem unzerbrechlichen Porzellan jetzt der "Soß-Kloß".

Regisseur Huber hat sich in seinem zweiten Weimar-Tatort nach dem "irren Iwan" die Messlatte hoch gelegt. Und er wollte "oben über die Stange springen" und nicht unten durchkriechen, sagt er vor sei nem Publikum. Ob ihm das gelungen ist, zeigt sich für alle Fans am Sonntagabend zur TV-Primetime im Ersten.