Am 20. Januar wird im Meininger Theater der Vorhang zu "Hoffmanns Erzählungen" von Jacques Offenbach aufgehen. Im Graben wird Chin-Chao Lin den Taktstock heben, Regie führen wird Christian Poewe. Weil diese Oper des Operettenkönigs beim Publikum so beliebt ist, hatte sie jetzt auch an der Semperoper in Dresden Premiere.

Als Titelheld verfährt der Dichter Hoffmann nach dem Motto "Drei in Eins". Dem Alkohol zugetan und die Sängerin Stella im Visier, hat er sich ein Frauenbild aus drei ganz verschiedenen Typen gebastelt. Oder er hat es sich als Ausrede für seine notorische Beziehungsunfähigkeit zurechtgelegt. Wozu ist man schon Dichter? Es gibt eine Geschichte zur auf lebensecht getrimmten mechanischen Träller-Puppe Olympia, zur kranken, an ihrem Gesang sterbenden Sängerin Antonia und zu der mit allen Wassern gewaschenen Kurtisane Giulietta, die dunkle Geschäfte mit den Schatten oder Spiegelbildern ihrer Verehrer macht. Alle drei Beziehungen sind eine Chronik des Scheiterns.

In Dresden himmelt Hoffmann nicht mal die real existierende Sängerin Stella wirklich an. Nur ein Bild, sprich ein Kleid von ihr. Dieser weiße Tutu- oder Brautkleidtraum ist eines der szenischen Leitmotive, die bei Johannes Erath immer wieder auftauchen, verschwinden, sich vervielfältigen. Doch Hoffmann ist vor allem mit sich selbst und seinen Dämonen beschäftigt. Von denen der finstere in der linken Seitenloge sitzt und die andere (Muse Nicklausse tritt meist als Frau auf) in der rechten.

Diese raumgreifende Idee wird bei Giuliettas großer Arie, die sie mit effektvollen Register-, ja Genrewechseln in ein Standmikrofon haucht und trällert, zur szenische Gestalt. Da sagen Hoffmann die beiden Antipoden, zwischen denen er sich sucht und nicht findet, jeweils verschiedene Passagen ins Ohr. Diese Szene bleibt haften. Wie der über Antonia zusammengebrochene Flügel. Aber das ist nur eine der Spiegelungen in dem gestaffelten und verschachtelten Bühnenraum, der sich immer wieder verwandelt und ein dominierendes Eigenleben führt.

Heike Scheele bebildert damit einen Alptraumexkurs. Der beginnt im Glanze des auf den Vorhang gespiegelten Zuschauerraums. Dann werden Räume sichtbar. Schließlich verwandeln sich die golden funkelnden Ränge in schäbige Wände. Mit merkwürdigen, im Nichts endenden Treppen, Öffnungen, die an Speiseaufzüge erinnern, durch die aber Menschen verschwinden oder wieder auftauchen.

Ein schwarzes Nichts

Es ist ein Traumambiente, das zum Ort eines Alptraums wird - vom Scheitern als Mensch und Dichter. Die vielstimmige Aufforderung, aus all dem Kunst zu machen, kommt aus einem so hoffnungslos schwarzen Nichts und lässt sich nur auf die nackte Haut der Muse schreiben, dass man wenig Hoffnung auf ein Alterswerk dieses Dichters hat.

Man merkt der Inszenierung von Johannes Earth die gedankliche Anstrengung (über-)deutlich an. Er bietet keine stringent erzählte Handlung, sondern eine Folge von Bildern. Das ist Vorzug und Nachteil zugleich. Er schwebt damit immer eine Handbreit über der bloßen Illustration, macht sichtbar, was im Verborgenen geschieht. Zugleich verstärkt das den Collage-Charakter des Stücks. Was auf Dauer zu einer Herausforderung wird, der man nicht immer zu folgen vermag.

Der US-amerikanische Tenor Erick Cutler ist ein standfester E. T A. Hoffmann, Tuuli Takala haucht der Olympia präzise Kühle ein. Sarah-Jane Brandon der Antonia Leidenschaft. Measha Brueggergosman verpasst der Giulietta das Quantum Verworfenheit, das sie als Komplizin beim Diebstahl der Männer-Spiegelbilder braucht. Herausragend: Christina Bock als Muse und Kumpan(in) Nicklausse. Dank Peter Rose sind die teuflischen Rollen mit diabolischem Stimmformat ausgestattet. Auch alle anderen Rollen sind sorgfältig besetzt.

Der Chor ist in Hochform. Frédéric Chaslin setzt am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden vor allem auf die Lust am romantischen Schwelgen. Was zu dem Orchester und dieser Inszenierung noch etwas besser passt, als zu diesem Stück.

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