Noch einmal zieht es Lars Wernecke an die Werra. Der ehemalige Oberspielleiter des Meininger Theaters inszeniert Tennessee Williams. Er hat auf diesen Text gelauert, auf dieses Stück, auf seinen so morbiden, so romantischen, so harten Klang. "Heimisch auf Zeit", sagt er, fühle er sich gerade hier. Er blickt aus Hamburg zurück auf die beschauliche Meininger Welt. Da ist, ganz sicher, Frieden in ihm, wenngleich es ihn vor nicht allzulanger Zeit aus dem Haus fegte. Und er den Charme der Provinz manchmal an ihm nagen fühlt wie eine süße Verlockung, eine sich verklärende Erinnerung.

Meiningen verdankt ihm einige großartige Stücke: "Cabaret" im damals noch ramponierten Volkshaus, das ihm einen Preis für die "Inszenierung des Jahres" eintrug. Die schmerzhaft-glaubhafte In-Szene-Setzung von Hauptmanns "Rose Bernd", einen mitreißenden "Zarewitsch" von Lehár, die Kammeropern "Powder her Face" und "Julie", natürlich die legendäre "Rocky Horror Show". In Meiningen ist Lars Wernecke vieles gelungen. Das Theater war ihm sowohl Testgelände als auch Projektionsfläche. Er hat die Stile und Genres künstlerisch miteinander verwoben. Und bewiesen, dass es im Theater weniger auf die abgrenzende Behauptung von Oper, Operette, Musical oder Schauspiel ankommt als auf die Fantasie, alles miteinander zu verbinden. "Jedes Stück ist ein Abenteuer", sagt er. Ihm ist die Oper so heimisch wie die Tragödie. Manchem, der ihn in Meiningen vor allem als einen Meister der Komödie apostrophiert, entgegnet er entschlossen, wegen ihr habe er nie Regisseur werden wollen.

Nun also Tennessee Williams. Nun also so ein Text, der ihn anfixt ob seiner rohen, harten, direkten Schilderung von Leben. "Süßer Vogel Jugend" erzählt von schmerzhaften Lebensgeschichten zweier Schauspieler, von Träumen, Hoffnungen, Enttäuschungen - und einer sich unbarmherzig immer weiter entrückenden Jugend, in der alles möglich schien. Es ist ein Rhetro-Blick zurück in das Amerika der Fünfzigerjahre, den er auf der Meininger Bühne inszeniert. Doch die Distanz der Jahrzehnte ist für ihn nur scheinbare Wirklichkeit. Er fühlt da keine ganz andere Welt, kein fernes Amerika, kein Lebensgefühl zwischen Röhrenfernseher und Nierentischchen. "Ich glaube, das Stück erzählt uns sehr wohl etwas über uns und unsere heutiges Leben", sagt Lars Wernecke.

Das klingt nach sehr viel Melancholie, doch genau die versucht der Regisseur zu vermeiden. "Es gab eine Zeit, da hat man Tennessee Williams sehr melancholisch in Szene gesetzt", behauptet er. Sein Blick auf das Stück ist nicht weniger gefühlvoll, aber viel direkter. "Eigentlich ist das, was Williams schreibt, sehr hart". Er apostrophiert den Text als "Southern Gothic" - als romantisch-morbides Schauermärchen, das seinen beiden Hauptdarstellern Yannick Fischer (Chance Wayne) und Ulrike Walther (Prinzessin Kosmonopolis) einen "Seelenkrieg" abverlange - ausgetragen im Scheinidyll des Grand Hotel Palm Springs.

Lars Wernecke spricht nicht von menschlichen Abgründen, wenn er diese Welt beschreibt, obwohl er genau diese meint. Ihm ist das ein zu oft bemühter Begriff. Er spricht lieber von alltäglicher Gewalt, die nicht tätliche Gewalt meint und die um so perfider ist: "Das Böse ist, übertrieben gesagt, einfach da." Aber das Böse ist so einfach nicht greifbar. Es scheint dem Menschen irgendwie eingegeben. Und hier findet sich ein Grund dafür, warum Lars Wernecke "Süßer Vogel Jugend" in Meiningen inszeniert: Das sei für ihn wie eine Selbstreinigung. "Ich hoffe, der ein oder andere im Publikum geht nach der Vorstellung nach Hause und denkt bei sich: Ich möchte einfach nur ein schönes Leben."

"Süßer Vogel Jugend" zählt in den USA zu den ganz großen Stücken von Tennessee Williams. Weil aber der Film zum Stück floppte, schaffte es die Berühmtheit nicht über den großen Teich. Und doch kommt es nun nach Meiningen. Auf die große Bühne. "Das ist gut", sagt Lars Wernecke. "Dieses Stück braucht diesen Atem."

Premiere Freitag/Sonntag 19.30/19 Uhr, Kartentel.: 03693/451222