Knappe Texte, flotte Sprüche, bunte Bilder und die Möglichkeit zur Selbst-Inszenierung: Das Museum in der Elisabethenburg konfrontiert gemütlich durch die Zimmerfluchten schlendernde Besucher mit einer Art Love-Story. Und das liegt nicht an dem nachgebauten und in perspektivischer Verzerrung auf Fußboden und Wände gesprayten Balkon von Verona - Liebespärchen dürfen gerne posieren und dabei das Handy zücken - sondern an einer theatergeschichtlich bedeutsamen Begegnung: Die nämlich zwischen der kleinen Theaterstadt und dem großen Dramatiker. "Meiningen ist mit Shakespeare über sich hin aus gewachsen", sagt die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Maren Goltz. Weil das aber kaum jemand weiß, gilt es diese Liaison genau hier zu zeigen - im Musenhof, und nicht im Theatermuseum.

Der knallbunte Raum unterbricht den Rundgang. "Moment mal", lautet die Botschaft. Er sei bewusst als "Intervention" konzipiert, sagt Goltz über die bunte Gestaltung. Konzeptionell wie ästhetisch geht es um Verknappung. Die Grundidee: "Calling Shakespeare". Man kann Shakespeare anrufen - wäre da nicht Corona, das die orangefarbenen Telefone aus hygienischen Gründen außer Gefecht setzt - und hätte jemanden am Ohr, der Schnipsel aus der Biografie des Dramatikers erzählen würde. Etwas über seine Verbindungen posthum in die Thüringer Theaterstadt. Unter den Stichworten "Lästern", "Flüstern" und "Philosophieren" etwas über die Sprache Shakespeares - und auch etwas über die Deutungs-Gewalt von Übersetzungen.

Das erfolgreichste Stück

Freilich, eine geradezu monumentale Beschäftigung mit William Shakespeare leistete das Meininger Theater vor allem in seiner Reisezeit des 19. Jahrhunderts. Für Goltz ist der Dramatiker als Autor der Renaissance aber nach wie vor modern: Er habe die Menschen in ihren Grundzügen charakterisiert. Zur jüngsten Meininger Shakespeare-Rezeption gehören etwa Zeichnungen von Kindern und Jugendlichen, die in der Ausstellung zu sehen sind. Zur ältesten zählt natürlich die Julius-Cäsar-Inszenierung, die es bei den berühmten Gastspielreisen des Hoftheaters zu 330 Aufführungen brachte. "Es war mit Abstand das erfolgreichste Stück", sagt Maren Goltz.

Die Ausstellung thematisiert in Form einer Bilderwand zehn Berührungspunkte zwischen Shakespeare und Meiningen - und das ist wirklich interessant. So gastierten die Meininger 1881 mit dem Stück "Was ihr wollt" sogar selbst in London. Und so finden sich im Museumsdepot noch immer die Originalrequisite einer römischen Fasces zu "Julius Caesar" - ein Rutenbündel, in dem ein Beil steckt, als Symbol der Amtsgewalt. Und so funkelt mit dem "Papageno"-Award die einzige internationale Auszeichnung, die eine Meininger Shakespeare-Inszenierung je bekommen hat in dem knallbunten Raum - verliehen 2014 an die Theatergruppe "Tohuwabohu" für seine "Wintermärchen"-Adaption.

Die "Intervention" ist gleichsam auch ein Experiment: Nämlich der Versuch, mit äußerst knapper Darstellung das Wesentliche zu erzählen. In der Hoffnung, der Besucher erfasst das dann schneller und vor allem nachhaltiger als lange Texte oder ein über viele Räume verteiltes Thema. Eine Strategie, die auf das sich verändernde Rezeptionsverhalten des Publikums reagiert und bisherige Ausstellungskonzepte in Frage stellt: Vor allem junge Leute dürften von "Calling Shakespeare" angefasst sein. Dafür hat auch ein Meininger Graffiti-Künstler gesorgt.

Lücken durch Leerstellen

Das Problem dabei: Die Verknappung sorgt immer dann für Leerstellen, wenn ein Besucher vom Thema angefixt ist und mehr wissen möchte. Auch in Meiningen bleiben nach dem Rundgang durch "Calling Shakespeare" Fragen, auf die sich zunächst keine Antworten finden. Natürlich kann Maren Goltz wunderbar erzählen, warum Shakespeare-Stücke in der Renaissance vor nahezu leerer Bühne gespielt wurden, der Meininger Theaterherzog aber opulente Bühnenbilder malen ließ: Georg ging davon aus, dass er alles, was er zeigt, nicht mehr erzählen muss. So steht im Shakespeares "Caesar"-Text zum Beispiel nichts von jener Fasces, die Georg qua Requisite auf die Bühne und in das Stück hinein interpretierte. Aha-Momente, die sich nicht von alleine erschließen. Möglicherweise fällt das Machern aber selbst auf. Wie gesagt, das Ganze ist auch ein Experiment, bei dem die Versuchsanordnung geändert werden darf - und der digitale Baukasten bietet dafür viele Möglichkeiten.

www.meininger-museen.de