Am Anfang sieht man einen Neonrahmen um eine schwarze Fläche. Bühnenbreit und nicht allzu hoch. Dann schleichen sich scheinbar verirrte Klänge aus dem Graben an. Wenn zum akustischen das optische Crescendo einsetzt, sieht man einen Mann an der Wand sitzen und einen Bücherstapel. "Der Sandmann" heißt das autobiographische Werk. Der Dichter hat darin das Alter Ego einer Muse Clara gleich auf der ersten Seite verunglücken lassen, und dem Helden seines Buches daraufhin mit der Leiche den besten Sex seines Lebens haben lassen. Als die echte Clara das mitbekommt, rastet sie aus. Man könnte alles als Krankengeschichte eines scheiternden Möchtegernschriftstellers lesen.

Thomas Jonigk hat sich für das Libretto zu Andrea Lorenzo Scartazzinis Oper in zehn Szenen "Der Sandmann" von E.T.A. Hoffmanns gleichnamiger Vorlage aus dem Jahre 1816 inspirieren lassen, die schon Offenbach zu "Hoffmanns Erzählungen" anregte. Samt einem Coppelius und einer künstlichen Frau, die jetzt nicht Olympia, sondern Clarissa heißt. Damit ist die zweite Oper Scartazzinis eine Künstleroper. In der Verschränkung von Traum und Wirklichkeit ist sie auf nachvollziehbare Stringenz aus. In der maßgeschneiderten Inszenierung von Christof Loy geht diese Theaterrechnung in 75 Minuten glänzend auf. Sie geht der Frage nach, wie Kunst entsteht und welchen Preis sie hat.

Strenge Ästhetik

Wobei am Ende nicht mal ganz klar ist, ob Nathanael wirklich ein Künstler ist, wie er selbst glaubt. Wenn der sich in einem Chor-Rezensentenlob badet und den gönnerhaften Publikumsliebling gibt, wird das jedenfalls schnell als halluzinierter Wunschtraum entlarvt. Die Dämonen der Vergangenheit hingegen, sein Vater und Coppelius werden für ihn immer realer. Nachdem Nathanael seine wirkliche Muse vergrault hat, offerieren diese beiden ihm eine Nachbildung, die nur Ja sagt. Was sich dann natürlich als die eigentliche Katastrophe erweist und auch beim zweiten Anlauf, leicht umprogrammiert, nicht funktioniert. Am Ende ist der Dichter tot.

In der präzisen, in jeder Phase der Musik abgelauschten Inszenierung wird die strenge Schwarz-weiß-Ästhetik nur durch das Kleiderrot Clarissas und ihrer maschinellen Schwestern durchbrochen. Die von Tomás Hanus und dem Sinfonieorchester Basel präzise und mit Verve zum Alptraumleben erweckte Musik Scartazzins ist so intensiv wie bühnentauglich. Ihr szenischer Charme profitiert vom abrupten Wechsel ebenso wie von der beklemmenden Steigerung der klanggewordenen Anfechtungen des Protagonisten. Der ist beim ausdrucksstarken Ryan McKinny ebenso gut aufgehoben wie die Clara bzw. bei Agneta Eichenholz. Weil auch die übrigen Protagonisten und der Chor gute Figur machen, ist aus Basel ein gefeierter Uraufführungserfolg zu vermelden!