Bad Salzungen "Wirtschaftspraxis" als neues Schulfach am Gymnasium

Das Bad Salzunger Gymnasium wünscht sich mehr Praxisbezug für seine Schüler. Mit Kooperationen, einem neuen Schulfach und der Gründung einer Schülerfirma soll das gelingen.

 
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Bad Salzungen - Es gibt im Wartburgkreis deutlich mehr Ausbildungsstellen als Schulabgänger. Und: Die Prozentzahl der Grundschüler, die ab der 5. Klasse ein Gymnasium besuchen, ist von 25 Prozent im Jahr 2000 auf aktuell 40 Prozent gestiegen. Heißt: Immer mehr Schüler streben das Abitur und ein Studium an und stehen dem Ausbildungsmarkt nicht zur Verfügung. Doch ein Studium ist nicht für alle Abiturienten der richtige Weg. Die Abbrecherquote liegt bei rund 30 Prozent, weiß Bernhard Schuchert, Geschäftsführer des Firmenausbildungsverbundes (FAV). Eine Ausbildung und spätere Weiterbildungen können in diesen Fällen die bessere Wahl sein. Die Idee des Schulleiters des Bad Salzunger Gymnasiums, die Berufsorientierung zu intensivieren und Unterricht praxisnaher zu gestalten, griff Bernhard Schuchert deshalb gerne auf. Personaler und Ausbilder von Firmen und Institutionen aus der Region waren der Einladung zu einer ersten Runde gefolgt und von der Idee begeistert, die Schulleiter Mike Noack sowie seine Mitstreiter Robert Reißig und Anne-Sophie Apsel vorstellten.

Mehr Praxis bieten

Die Ausbildung am Gymnasium sei sehr auf das Abitur getrimmt und die Wissensvermittlung zu 99 Prozent theoretischer Natur. "Wir haben aber auch Fachkräfte von morgen an unserer Schule", erklärte Noack. Diese gut vorzubereiten und ihnen Möglichkeiten der Berufswahl in der Region aufzuzeigen, ist das Ziel einer Bildungspartnerschaft mit Unternehmen. Zwar gebe es alle zwei Jahre einen Berufemarkt sowie Informationsveranstaltungen, "aber eben nur punktuell und nicht kontinuierlich", so Noack. Die Berufs- und Studienwahlorientierung beginnt am Gymnasium in der 8. Klasse, unter anderem mit einem einwöchigen Praktikum, das in der 9. Klasse fortgesetzt wird.. "Allerdings ohne Basis und ohne Vorerfahrungen und deshalb nicht zielführend", meinte der Schulleiter. Das wolle man anders gestalten. Ein Stärken-Schwächen-Profil soll aufzeigen, welches Praktikum für den Schüler geeignet ist. Auch die Dauer könne variieren - von jeweils einem Tag in drei Unternehmen bis zu fünf Tage in einem Betrieb. Einführen wolle man ab der 10. Klasse ein neues Fach, das im Moment den Arbeitstitel "Wirtschaftspraxis" trägt und vier Wochenstunden umfassen soll. "Wir vermitteln zu viel Theorie", sagte Anne-Sophie Apsel. Mit der Unterstützung von Firmen aus der Region, deren Vertreter zu bestimmten Themen wie Marketing, Vertrieb oder Buchführung sprechen könnten, soll sich das ändern. Die Mitarbeiter der Unternehmen seien an der Schule als Experten erwünscht.

Schülerfirma in Planung

Ein Schwerpunkt sei das Thema Unternehmensgründung. Nach der theoretischen Beleuchtung soll dies in die Praxis umgesetzt werden. Robert Reißig hat damit schon Erfahrung. Während seiner Lehrer-Tätigkeit in Warburg hat er mit Gymnasiasten eine Schüler-Genossenschaft gegründet. Das soll im nächsten Jahr auch in Bad Salzungen passieren, so richtig mit Vorstandswahl, Generalversammlung, Startkapital und der Eintragung in das Genossenschaftsregister. "Die Schüler sollen das alles selbst auf den Weg bringen", erklärte er. Mit eigenen Produkten, dem Vertrieb und der entsprechenden Werbung soll das Unternehmen zum Laufen gebracht werden. Die Firma Hirschvogel aus Marksuhl meldete sich spontan als Geldgeber und sagte 200 Euro zu.

Was man am Gymnasium noch anders machen will: Gezielte Beratungen für leistungsschwächere Schüler anbieten, um Alternativen zum Abitur aufzuzeigen. In jedem Jahrgang, erklärte Mike Noack, kommen aus unterschiedlichsten Gründen durchschnittlich 38 Schüler nicht in der 12. Klasse an.

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