Bad Salzungen - "Strom und Benzin" - viel mehr sei es doch nicht, befindet Petra Wagner, was die Kelten von den Menschen der Gegenwart unterscheide. Die Werkzeuge, die Heilmethoden, die Bräuche, die Feste, die Konflikte, die Formen des Zusammenlebens - "man denkt zwar, 2000 Jahre seien eine lange Zeit, aber wenn die Technik nicht wäre, würden wir doch genau so leben wie die Kelten früher", sagt sie. Man registriere einfach nicht mehr, wie vieles sich aus der Vergangenheit erhalten habe; weit mehr als die Sonnwendfeiern und ein paar fast vergessene Wortbedeutungen und Kräutlein-Weisheiten. Und so dient das dichte Gewebe der Menschheitsgeschichte über die Jahrhunderte Petra Wagner wohl als Hintergrundgedanke für ihren ersten Roman. Der "aus einer spontanen Idee" entstanden sei, ohne Plan und ohne den Vorsatz, etwas zu veröffentlichen.

Fasziniert vom Keltendorf

Petra Wagner, geboren 1969 in Schmalkalden, aufgewachsen in Steinbach-Hallenberg, lebt mit ihrer Familie in Bad Salzungen. Ihr drittes und jüngstes Kind ist jetzt vier Jahre alt. Im Babyjahr, erzählt sie, habe sie einen Kurs besucht, um im Zehn-Finger-System tippen zu lernen. Nicht, weil sie es in ihrem Beruf in der Elektrotechnik gebraucht hätte; sie habe es können wollen. "Was könntest du zum Üben mal schreiben?", habe sie sich überlegt. Eine Geschichte, ein Buch vielleicht, für das Kind im Teenageralter - das, unverständlich für die viel-lesende Mutter, wenig Lust an Lektüre zeigte. "Und dann war ich gefordert", sagt Petra Wagner. Etwas Spannendes sollte es sein, ein Abenteuer vielleicht, etwas Realistisches sollte es sein, keine bloße Erfindung. Und es sollte etwas sein, woran sie selbst, Liebhaberin historischer Romane und schon lange "fasziniert vom Keltendorf in Sünna", Vergnügen haben würde.

Ob sie geahnt hat, wie viel Arbeit das Vergnügen bereiten würde? Die Anfangsszene ihres Romans, erzählt Petra Wagner, habe sie sofort im Kopf gehabt - "das war, wie wenn man in einen neuen Raum kommt und plötzlich eine andere Welt sieht". Für den großen Rest hat sie sich viel Zeit genommen. "Ich wollte ja keinen Blödsinn schreiben". Und sie habe den Anspruch an sich selbst, möglichst wenig falsch zu machen.

Also hat sie gelesen, monatelang. Sie hat sich über die Kelten besorgt, was sie finden konnte - vor allem Fachbücher seien ihr wichtig gewesen, um zu wissen, "wie es gewesen sein könnte". Sie hat bei den sehr alten Quellen angefangen - bei Caesar, der "wirklich sehr schön beschreibt", habe sie vieles gelernt, in den Annalen des Tacitus eine wesentliche Anregung gefunden: Die dort erwähnte Salzschlacht, die im Jahr 58 nach Christus im Hercynischen Wald - in dem auch die heutige Rhön liegt - stattgefunden haben soll, spielt in Petra Wagners Roman eine nicht unerhebliche Rolle. Sie hat wissenschaftliche Werke gewälzt - Theorien über die Herkunft, die Sprache, das Leben der Kelten; sie hat Sagen gelesen und Bücher, die sich mit der Küche, den Häusern, der Kleidung der Kelten beschäftigen.

Am Fuß des Oechsen

Die schier unendlichen Details, die auf diese Weise zusammengekommen sind, haben im Roman viel Platz bekommen. Und nur wenig, betont die Autorin, sei "wirklich ausgedacht". Die - erfundene - Geschichte um die Ärztin Viviane spielt vor allem am Fuß des Oechsen; viele Orte werden die Leser aus der Region unschwer wiedererkennen. Das "Tiefgründige", das sie im Leben der Kelten gefunden habe, zu vermitteln, ist Petra Wagner wichtig gewesen. "Ein bisschen", sagt sie, "geht es schon ins Mystische rein". Mystisch? Petra Wagner wehrt ab, scheint eine unausgesprochene Frage zu ahnen - "nee", sagt sie, "ich tanze nicht um die Bäume". Es gehe ihr darum, "diese extreme Verbindung darzustellen", die Naturverbundenheit der Menschen in früheren Zeiten, die Achtung, die die Kelten den Tieren entgegengebracht hätten. Zwischen den Zeilen lässt sich auch ein leises Bedauern darüber lesen, dass manches verloren scheint - wie das Bewusstsein, "dass ein Baum mehr ist als ein Baum; etwas, das uns Luft gibt zum Atmen".

Ein Jahr lang hat Petra Wagner an "Die Macht der weisen Schlange" geschrieben, fast 500 Seiten dick ist das Buch geworden. Und lange hat niemand einen Blick in das Manuskript werfen dürfen. "Ich hab auf dem Buch gesessen, wie die Henne auf dem Ei", sagt sie lachend, "je mehr ich geschrieben hab, umso weniger wollte ich preisgeben". An eine Veröffentlichung habe sie erst gedacht, als ihr Mann, der schließlich doch Teile des Buches zu sehen bekam, gesagt habe: "Oh, das geben wir weg." Zunächst hat Petra Wagner das Manuskript aber an lokale Kelten-Kenner gegeben - von Torsten Stütz und seinem Vater, Betreiber des Kelten-Hotels in Sünna, holte sie sich die Bestätigung, "keinen Quatsch" geschrieben zu haben. Dann erst habe sie sich an Verlage gewandt.

Fortsetzung folgt

Vor einigen Wochen ist "Die Macht der weisen Schlange" erschienen; Petra Wagner schreibt bereits an einer Fortsetzung der Geschichte. Und obwohl es der Autorin wichtig ist, "möglichst realistisch" zu schreiben, bewirbt der Verlag das Buch als "Fantasyroman". Warum? "In eine Schublade muss man passen", sagt Petra Wagner. Und ihre Schublade habe ja, ergänzt sie lachend, auch Vorteile: Falls jemand ihre Kelten-Darstellung anzweifle, "kann ich immer die Hände heben und sagen: Das ist Fantasy". Letztendlich sei ihr nur wichtig, "die Leser dazu zu bringen, zu sehen, was ich sehe": Das faszinierende Leben der Kelten - "von denen wir so viel haben, was wir gar nicht wissen". m

Petra Wagner: "Die Macht der weisen Schlange", Frieling-Verlag Berlin, 13,90 Euro.