Eigener Inhalt Das Wunderwerk im Wald

Gertrud Pechmann

Der japanische Star-Architekt Kengo Kuma hat in einem bayerischen Fichtenhain ein Kunstwerk erschaffen: das Meditation House

 
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Rund um die Zugspitze tummeln sich das ganze Jahr Skifahrer, Wanderer und Erholungssuchende. Es ist ein Strom, der nie versiegt, der die Ortszentren von Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen trubelig sein lässt und eine permanente Geräuschkulisse erzeugt. Doch wer die private Mautstraße ab Klais nimmt, stößt ganz in der Nähe auf ein Hotel, das sich der Ruhe verschrieben hat: "Das Kranzbach", wie Stammgäste es liebevoll nennen. Das Haus setzt auf Entschleunigung. "Wir bieten das an, was unseren Gästen gut tut", sagt Gastgeber Klaus King. "Viele von ihnen kommen aus der Großstadt und leiden unter Stress und Hektik." Beides sollen sie im "Kranzbach" hinter sich lassen.

Das gelingt vielen bereits bei der Anreise. Denn das Hotel – 1913 erbaut im Stil eines englischen Herrenhauses – liegt auf 1040 Metern Höhe in einem Naturschutzgebiet. Ringsherum Wiese und Wald, dazu ein Panorama wie aus einem Heidi-Film, eine Küche mit vorwiegend regionalen Produkten, Badehaus und Spa, Yogaplattform und Baumhaus. Fehlt da noch etwas?

Seit Kurzem ist das Hotel um eine Attraktion reicher: das Meditationshaus, mitten im Wald und nur zu Fuß zu erreichen. Star-Architekt Kengo Kuma, bekannt durch Projekte wie das Victoria and Albert Museum im schottischen Dundee oder das Olympiastadion in Tokio für die Spiele 2020, hat hier ein Kleinod aus Stahl, Glas und Holz entstehen lassen. Seine Vision haben Handwerksbetriebe aus der Region umgesetzt. Es ist ihnen gut gelungen: Das Bauwerk verschmilzt förmlich mit dem Fichtenhain, verbindet Natur und Architektur. Wie ein Tempel steht es da und nimmt den Betrachter durch seine Schlichtheit für sich ein.

Er sieht: Unzählige Schindeln aus Weißtanne, die miteinander ein kompliziertes, dreidimensionales Muster an Decke und Wänden bilden, bodentiefe Glasfronten, die den Eindruck verstärken, dass das Außen und Innen nahtlos ineinander übergehen. Wald und Meditationshaus scheinen eine Einheit zu bilden. Von außen zieht es den Betrachter förmlich in das Innere des Gebäudes. Hier scheinen die Holzschindeln an der Decke den Besucher von oben zu beschützen. Im Vorraum kann er alles ablegen, was er nicht für sein Innehalten braucht. Der eigentliche Meditationsraum ist bis auf einen Gong leer. Nichts verstellt den Blick auf den Wald, die Baumstämme, die Farne, das Moos. Licht und Schatten malen vergängliche Kunstwerke auf die Bodendielen. Hotelgäste können das Haus mieten oder an den Meditationen teilnehmen, die das Haus täglich anbietet.

"Nicht jeder mag jede Meditationsmethode", sagt Klaus King. "Deshalb bieten wir täglich verschiedene Kurse an." Das kann dann Yoga-Meditation sein, stilles Qi Gong, Tai-Chi-Formen. Oder auch Zen-Meditation, das stille Sitzen,
das seinen Ursprung in Japan hat.

Wer sich auf die Zen-Erfahrung einlässt, trifft an der Rezeption Meditationslehrer Axel Zeman. Er nimmt die Gäste mit in den Wald. Den Weg zum Meditationshaus gehen die Teilnehmer schweigend. Der 58-Jährige praktiziert seit 40 Jahren Zen. Die Meditation habe seinen Alltag verändert, sagt Zeman. Er sei achtsamer geworden – anderen und auch sich selbst gegenüber – fokussierter und gelassener. Die Teilnehmer aus dem "Kranzbach" führt Zeman behutsam in die stille Meditation ein. Er gibt ihnen Tipps zum richtigen Sitzen und Atmen und wie sie mit hartnäckigen Gedankenschleifen umgehen können, die die Meditation stören.

Und dann probieren es einfach alle aus: Augen zu. Nicht denken. Einfach sitzen. Den eigenen Atem beobachten. Gedanken, die sich einschleichen, ziehen lassen. Nach zehn Minuten holt sie der Gong wieder aus ihrer Versenkung zurück. "Das war toll", sagt eine Teilnehmerin danach. "Ich konnte viel besser atmen." Eine andere, selbst Meditationslehrerin, spürt noch lange die "positive Energie des Ortes" nachwirken.

Und Axel Zeman? Der lächelt und sagt: "Wenn man ganz achtsam und wach ist, kann der Glücksdrache auf die Erde kommen. Das eigene Glück – es kann durchaus in einem japanischen Meditationshaus in Bayern aufscheinen.

Das Hotel "Kranzbach" ist ein gesundheitsorientiertes Wellness-Hotel. Seit September bieten sechs Lehrer täglich Meditationsstunden an. Wer will, kann das neu erbaute Meditationshaus auch stundenweise mieten. Außerdem finden im "Kranzbach" spezielle Meditationsworkshops statt. Infos und Termine unter www.daskranzbach.de
meditation-in-kranzbach.html

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