Eigener Inhalt Offline: Ist da jemand?

Samsung hat in seinem Heimatland ein Smartphone vorgestellt, mit dem man erst gar nicht ins Internet kommt. Warum südkoreanische Schüler offline bleiben sollen.

 
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Ein Smartphone, mit dem man nicht online gehen kann, als Neuheit zu verkaufen – so etwas geht wohl nur in Südkorea, dem Heimatland von Samsung. Der Konzern hat in der vergangenen Woche das Galaxy J2 Pro vorgestellt. Bei dem Android-Gerät handelt es sich um ein Smartphone, das keinerlei Daten übers Netz empfangen und das ausschließlich fürs Telefonieren und SMS-Schreiben benutzt werden kann. Und noch etwas ist bei diesem Gerät besonders: Das Modell wird es so nur in Südkorea geben. Was sich Samsung dabei gedacht hat? Viel! Denn der Konzern hatte eine spezielle Käufergruppe ins Visier genommen: Schüler und angehende Studenten.

Einmal im Jahr herrscht an Südkoreas Schulen Ausnahmezustand. Wenn der achtstündige Leistungstest Suneung ansteht, öffnen sogar viele Büros später, damit das morgendliche Verkehrsaufkommen geringer ist und die Schüler pünktlich zum Test erscheinen. Der findet an allen Schulen des Landes gleichzeitig statt und muss von jedem Oberstufenschüler absolviert werden, der an einer Hochschule studieren möchte. Der Suneung gilt als wichtigste Prüfung im Leben eines Schülers, mitunter sollen Eltern vor den Schultoren stehen und für ihre Kinder beten. Aufgrund des Riesendrucks, der auf den jungen Menschen lastet, soll es rund um den Suneung-Termin auch vermehrt zu Suizid-Versuchen kommen, heißt es.

Weil sich die Jugendlichen lange und sehr intensiv auf diesen Test vorbereiten, gilt es, Ablenkungen zu vermeiden – und hier kommt Samsung ins Spiel. Kein Internet, das bedeutet auch keine Zeit mit Facebook und Co. zu verplempern. Stattdessen volle Konzentration aufs Lernen, Lernen und noch mal Lernen. Genau deshalb hat Samsung die Schüler als Käufer fürs Galaxy J2 Pro ausgemacht. Mit ihrem Gerät können sie dann ausschließlich Telefongespräche führen oder klassische Netznachrichten austauschen. Außerdem verfügt das Smartphone (das eigentlich gar nicht mehr so heißen dürfte) über eine Wörterbuch-App in Englisch und Koreanisch, die bei Übersetzungsfragen hilft.

Das Modell wird zum Einstiegspreis von umgerechnet 150 Euro verkauft und kommt noch mit einem besonderen Angebot daher. Im Rahmen einer Werbeaktion haben Schüler und Studenten die Möglichkeit, dass Offline-Smartphone nach ihrem College-Examen zum vollen Kaufpreis zurückzugeben, um sich dann ein "echtes" Smartphone zuzulegen. Vorausgesetzt natürlich, sie haben die Aufnahmeprüfung überhaupt geschafft.

Auch hierzulande könnte die Nachfrage nach einem solchen Gerät da sein. Denn längst gibt es auch in Deutschland Kunden, die gezielt nach einem Handy suchen, das ausschließlich über Basisfunktionen verfügt. Die Gründe für den Wunsch nach Retro-Telefonen sind vielfältig. Die einen sind mit den vielen Funktionen ihres Smartphones schlichtweg überfordert, andere sehen in der Internetfähigkeit ihres Gerätes ein Einfallstor für Betrüger und sorgen sich, dass sie aus Unwissenheit Schaden und hohe Kosten verursachen. Und dann sind da noch Eltern, die ihre Kinder für den Notfall gerne im Besitz eines Handys wissen möchten, sie aber gleichzeitig vor bestimmten Inhalten im Netz schützen möchten.

Sie machen ernst: Ein Hotel in der Nähe von Stuttgart wird gerade zum Vorreiter in Sachen Digital Detox, dem bewussten Verzicht auf digitale Technik. Das Weinstadt-Hotel hat Bereiche in seinem Haus ausgewiesen, in denen Smartphones nicht erlaubt sind, darunter der Frühstückssaal, die Sonnenterrasse sowie das angrenzende Restaurant. Aufsteller auf den Tischen informieren über das Verbot. Ab und an müssten vereinzelt Gäste auf die Regelung hingewiesen werden. Im Großen und Ganzen kämen die handyfreien Zonen jedoch sehr gut an, heißt es vonseiten der Hotelbetreiber. Beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga unterstützt man die Entscheidung. Ähnliche Regelungen gebe es bisher nur in gehobenen Restaurants oder der feinen Gastronomie, heißt es dort.

Während viele ihre Urlaubsbuchung jahrelang davon abhängig machten, ob die Unterkunft auch kostenloses Internet anbietet, setzt nun genau der Gegentrend ein. Urlaubsdomizile werben mittlerweile gezielt damit, kein Internet oder Fernsehen auf den Zimmern anzubieten. In der Steiermark gibt es zum Beispiel gleich mehrere Hotels, die einen Offline-Urlaub ins Angebot genommen haben. Die Touristen zahlen dann gerne dafür, dass sie keinen Handyempfang haben.

Interessante Einblicke in den Online-Alltag der Deutschen liefert die aktuelle Studie "Digitale Nutzung in Deutschland 2018". Demnach geben 38 Prozent der Bundesbürger zu, dass es ihnen schwerfällt, offline zu sein. 73 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich Kommunikation immer mehr auf digitale Kanäle verlagert und dass diejenigen, die diese nicht nutzen, "nichts mehr mitbekommen". Die Nutzung klassischer Medien wie TV, Radio und Zeitungen sowie Zeitschriften nimmt unter der Woche weiter ab. Am Wochenende werden diese Medien jedoch weiterhin unverändert genutzt. Gleichzeitig zeigt sich eine intensivere Nutzung von Smartphones: Es wird länger und auch häufiger am Tag gebraucht als in den Vorjahren.

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