24 Stunden Zeit
Die Uhr tickt: Seit dem 1. Januar müssen Betreiber von sozialen Netzwerken rechtswidrige Inhalte innerhalb eines Tages löschen. Das sorgt schon in der ersten Woche für jede Menge Ärger

Weil Hass-Postings im Internet immer größere Dimensionen angenommen haben, hat der Bundestag bereits im vergangenen Sommer das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) auf den Weg gebracht. Offiziell trat es bereits zum 1. Oktober 2017 in Kraft, doch den Unternehmen wie Facebook und Twitter wurde eine dreimonatige Übergangsfrist eingeräumt, um technisch und auch personell auf die veränderte Gesetzeslage zu reagieren.
Mit dem Jahreswechsel ist diese Frist nun verstrichen. Seit dem 1. Januar wird es für die Betreiber von sozialen Netzwerken ernst. Jedes Portal mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland muss sich ab sofort an die Verfahrensregeln halten, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat.
Diese sehen vor, dass Nutzerbeschwerden, die wegen eines rechtswidrigen Inhaltes eingehen, umgehend bearbeitet werden. Das können zum Beispiel Hinweise auf Volksverhetzung, Aufrufe zur Straftaten, üble Nachreden, Beleidigungen und Bedrohungen sein. Insgesamt 21 dieser Rechtsnormen sind im NetzDG definiert.
Gehen bei den Betreibern Beschwerden wegen offensichtlich rechtswidriger Postings ein, müssen die Beiträge innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden oder dürfen zumindest für Nutzer in Deutschland nicht mehr zugänglich sein. Gibt es Zweifel an der Rechtswidrigkeit, wird den Betreibern eine Frist von sieben Tagen eingeräumt, in der über die Löschung eines Beitrags beraten werden kann. Außerdem müssen in jedem Fall der Melder der Beschwerde sowie der Urheber des Beitrags über die Beschwerde sowie das Ergebnis der Prüfung informiert werden. All diese Aufgaben kann der Betreiber des Netzwerkes selbst übernehmen oder eine geeignete Stelle damit beauftragen.
Halten sich Unternehmen nicht an diese neuen Regelungen, drohen ihnen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro. Einzelne Mitarbeiter können demnach mit bis zu fünf Millionen Euro Bußgeld belangt werden. Eine drastische Maßnahme, die Kritiker auf den Plan ruft. Zum Beispiel den IT Branchenverband Bitkom. Dort hält man das NetzDG sogar für verfassungswidrig und bemängelt, dass Unternehmen mit der Entscheidung, was nun rechtswidrig ist und was nicht, alleingelassen werden. Aufgrund des Zeitdrucks und vor dem Hintergrund der hohen Geldstrafen befürchtet Bitkom, dass mehr Beiträge gelöscht werden als nötig, und sieht, wie viele andere Rechtsexperten auch, die Meinungsfreiheit im Internet in Gefahr.
Und tatsächlich sorgte das neue Gesetz schon am ersten Tag seines Inkrafttretens für jede Menge Wirbel. So wurde eine Twitter-Nachricht der AfD-Politikerin Beatrix von Storch aus dem Netzwerk entfernt. Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion hatte sich auf ihrem Account darüber empört, dass die Kölner Polizei ihre Informationen zu den Neujahrsfeiern in mehreren Sprachen, darunter Arabisch, verbreitet hatte: "Was zur Hölle ist in diesem Land los, wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf Arabisch? Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?", schrieb von Storch an Silvester.
Nach dem gelöschten Beitrag sprang ihr die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, bei. Auf Twitter schrieb diese: "Unsere Behörden unterwerfen sich importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs." Auch dieser Eintrag wurde von Twitter in Deutschland blockiert.
Und die erste echte Zensur-Debatte rund um das NetzDG brach dann am vorigen Mittwoch los und traf das Satiremagazin Titanic . Dessen Redaktion hatte den Eklat um Beatrix von Storch nämlich zum Anlass genommen, um im Namen der AfD-Politikerin zu twittern. Twitter verlangte daraufhin von Titanic , den satirischen Tweet zu löschen. Weil die Redaktion dieser Forderung nicht nachkam, sperrte das Unternehmen kurzerhand den Account des Magazins.
Ein Vorgang, der beim Deutschen Journalisten-Verband (DJV) für Empörung sorgte. Nicht nur dort sah man sich in der Kritik am Gesetz bestätigt: "Ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Sitz in den USA bestimmt darüber, wie weit Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland reicht. Das ist der Ausverkauf von Grundrechten", so der DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall.
Veröffentlicht am:
05. 01. 2018
12:15 Uhr