Eigener Inhalt Ausstoß-Legende

Wolfgang Plank

Für gewöhnlich kennen Prüfer und Behörden kein Erbarmen: Felgen ohne Gutachten, Anhängerkupplung nicht eingetragen, keine ABE für den Dachspoiler - das war's. Mindestens kein Stempel, erst recht keine Plakette, und im schlimmsten Fall erlischt sogar die Betriebserlaubnis. Insbesondere dann, wenn das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird ...

 
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So steht es ausdrücklich in Paragraph 19 der Straßenverkehrszulassungsordnung. Wo kämen wir hin, wenn jeder einfach so ein Doppelrohr anbauen dürfte? Wer weiß, ob da nicht plötzlich ein bisschen mehr hinten rauskommt?

Ist man Autobauer, darf das Zig-fache hinten rauskommen. Und zwar ganz offiziell. Selbst nach dem VW-Skandal. Regeln, muss der Bürger denken, scheinen hierzulande nur für mich zu gelten – Hersteller dürfen sie getrost ignorieren. Besser – oder schlimmer? noch: Gesetze werden im Verkehrsministerium gleich nach Wunsch der Industrie formuliert. Motoren, die pures Gift ausstoßen? Kein Problem. Niedrigere Grenzwerte? Kein Thema. Schärfere Kontrollen? Kein Bedarf. Strafen für Verstöße? Kein Gedanke.

Seit Jahrzehnten lässt die Politik die Konzerne gewähren. Sie durften sich paradiesische Prüf-Zyklen wünschen und die Verbraucher bei Labor-Tests im Wortsinn auf die Rolle nehmen. Kein Kraftfahrtbundesamt und kein Ministerium wollte etwas auch nur annähernd Genaues von "Thermo-Fenstern" wissen und von Abschalteinrichtungen. Wenn’s dem Schutz des Motors diente, wenn juckte da schon der Schutz der Menschen?

All die hübschen Werte für CO2 und NOx – Mumpitz. Genauer: staatlich geförderte Verbrauchertäuschung. Spritverbrauch und Schadstoff-Ausstoß sollen in zehn Jahren um ein Viertel gesunken sein? Lachhaft. In Wirklichkeit wurden nur die Tricks raffinierter. Unterhalb der Prüf-Temperatur schaltet sich die Abgas-Reinigung ab, oberhalb der Prüf-Drehzahl auch – und unmittelbar nach der maximalen Prüf-Dauer sowieso. Große Wäsche für Abgase fällt mit etwas Glück auf ein Dutzend Tage im Hochsommer – ansonsten: Fehlanzeige. Die Technik könnte leiden.

Besserung ist leider nicht in Sicht. Trotz gegenteiliger Beteuerungen werden wir weiterhin das Gesäusel vom Klimaschutz hören – und in den Prospekten Verbrauchs- und Abgaswerte lesen, bei denen sich die Gebrüder Grimm Sünden gefürchtet hätten. Vor einer echten Debatte drückt man sich in Deutschland und Europa seit Jahrzehnten. Lieber belegt man Diesel-Fahrzeuge mit einem Innenstadt-Bann. Ist es wirklich so schwer, offen über Autos zu reden, ohne dass die einen "Dreckschleudern!" schreien und die anderen "Arbeitsplätze!"?

Warum kann man sich nicht darauf verständigen, dass es eben nicht nur dreizylindrige Kleinstwagen geben kann, weil ein City-Flitzer nun mal für den Handelsvertreter ebenso wenig taugt wie für die fünfköpfige Familie? Gleichwohl darf man auch die Frage stellen, warum man für Autos oberhalb von zwei Litern Hubraum die Steuer nicht ähnlich progressiv gestaltet wie die aufs Einkommen auch?

Man könnte über den Sinn streiten, beim Auto den Schadstoff-Ausstoß an der dritten Nachkomma-Stelle zu senken, während Hochseeschiffe grenzenlos Gift in die Luft blasen dürfen. Darüber, warum Sprit für Autos eigentlich drastisch besteuert wird und Treibstoff für Flugzeuge gar nicht? Man könnte über ein Tempolimit von 160 auf Autobahnen diskutieren und sich nebenbei fragen, warum in Norwegen Elektro-Autos ein Hit sind.

Vor allem aber müssten diejenigen, die tagtäglich in Mikrofone sprechen endlich mal sauber trennen zwischen Erderwärmung, Feinstaub und Stickoxid-Belastung. Und dann könnte man daran gehen, Grenzwerte festzulegen. Sie müssten so gewählt sein, dass sie ambitioniert sind, aber erreichbar. Dass sie einem Hersteller nicht die Luft nehmen, aber eben auch Ingenieurskunst und technischen Fortschritt fordern. Hätte man stets nur auf die Bedenken der Autobauer gehört – es gäbe noch nicht mal einen Katalysator. Und ja: Wer Grenzwerte nicht einhält, soll bestraft werden. Ganz einfach. So wie andere Gesetzesbrecher eben auch.

Nichts von alledem aber findet wirklich statt. Und so ist nach gefühlt fünfhundert Experten-Kommissionen und mindestens ebenso vielen Positionspapieren eines noch immer nicht gelöst: das Problem.

Stattdessen konnte man eben mitkriegen, wie Umweltministerin Barbara Hendricks stellvertretend für die Regierenden in Berlin den Offenbarungseid geleistet hat. Die Autobranche, so ihr Appell, solle doch bitteschön die Dieselmotoren von Euro-5- und Euro-6-Autos so nachrüsten, dass sie nur noch die Hälfte ausstoßen. Und zwar auf eigene Kosten. Da werden sie in Wolfsburg, Stuttgart, München und Ingolstadt ganz schön zusammengezuckt sein – vor Lachen.

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