Eigener Inhalt Zeit, aufs Gas zu gehen

Wolfgang Plank

Ein Missstand ist da. Gewaltig groß und eigentlich unübersehbar. Aber es spricht keiner darüber. Aus Parteiräson. Aus Mangel an Courage. Oder aus Sorge, ein Idyll könnte sich zum Trugbild wandeln. Im Englischen haben sie für das totgeschwiegene Problem den wunderbaren Begriff "the elephant in the room" geprägt. Derlei Dickhäuter gibt es auch hierzulande reichlich. Ein besonders mächtiger ist das Elektromobil.

 
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Dabei ist noch nicht einmal heraus, ob das ladefähige Auto wirklich so ein Segen ist. Ganz sicher nicht, wenn der Saft abseits von Sonne, Wasser oder Wind erzeugt wird. Der derzeitige deutsche Strom-Mix jedenfalls hilft der Atmosphäre kein bisschen. Und auch im Inneren bergen die E-Mobile ein schmutziges Geheimnis. Was Batterien funktionieren lässt, muss der Erde brutal entrissen werden. Die vermeintlich sauberen Akku-Autos hinterlassen schon hässliche Spuren, bevor sie überhaupt vom Band gelaufen sind: gerodete Wälder, vergiftete Böden, verseuchte Flüsse. Nicht zu reden von den Arbeitsbedingungen beim Rohstoff-
Schürfen weit weg von Industrieländern.

Das Dumme ist: Politik und Autobauer haben sich auf den Elektro-Antrieb verständigt. Weil sie ihn brauchen. Auch wenn die CO2-Werte schöngerechnet sind – ohne eine ausreichende Anzahl Stromer stimmt die Klima-Bilanz der großen Koalition nicht einmal mehr auf dem Papier. Alternativen? Nicht wirklich diskussionswürdig. Dabei kommt in der Euphorie um das E-Mobil eine Idee zu kurz. Billiger als Strom und umweltfreundlicher als jeder Selbstzünder: das Erdgas-Auto.

Ein Kilo Erdgas liefert anderthalb mal so viel Energie wie ein Liter Super und das 1,3-fache von Diesel. Obendrein verbrennt es sauberer. Der CO2-Ausstoß liegt um ein Viertel niedriger, der an Stickoxiden gar um 80 Prozent. Und: Es entsteht keinerlei Feinstaub. Obendrein ist CNG (Compressed Natural Gas) klopffest bis 130 Oktan. Das ermöglicht kleine Motoren mit großer Verdichtung und hoher Leistung. Erdgas-Autos brauchen keine bleischweren Batterien und noch nicht einmal einen Benzintank. Moderne CNG-Motoren können auch ohne Sprit starten.

Zugegeben: Nur Vorteile hat auch Erdgas nicht. Die Wartungskosten sind höher, weil Gasautos teils öfter zur Inspektion müssen – und im Rahmen der Hauptuntersuchung auch zur Gasanlagen-Prüfung. Die Tanks sind schwer und ihre Lebensdauer auf 20 Jahre beschränkt. Danach müssen sie erneuert werden. Was passiert, wenn sie nicht regelmäßig kontrolliert werden, hat VW vor kurzem erst schmerzlich erfahren müssen.

In Sachen Umwelt und Verbrauch jedoch ist kaum Konkurrenz in Sicht. Im Gegenteil: Nicht wenige Experten halten Erdgas für die einzige Chance, in verhältnismäßig kurzer Zeit auf messbare Erfolge bei der Luftreinhaltung zu kommen. Und politisch unabhängiger würde Deutschland auch. Erdgas kann man in der Nordsee fördern.

Hauptargument der Gegner ist der Verzicht auf fossile Energie. Doch das überzeugt nicht restlos. Das massive Fracking in den USA liefert Erdgas nebenbei. Was also sollte man damit anfangen? Vor allem aber lässt es sich in Bio-Methan-Anlagen aus Abfällen produzieren. Es setzt dann nicht mehr CO2 frei, als die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen haben. Und es geht noch besser: mit überschüssigem Strom aus Sonnen- und Windkraft-Anlagen. Durch Elektrolyse entsteht Wasserstoff, der im sogenannten Sabatier-Verfahren mit CO2 zu Methan umgewandelt wird.

Doch warum ist der Durchbruch in Sachen Erdgas noch nicht gelungen? Aktuell fahren nur etwa 80 000 Autos damit. Im Grunde ist es dieselbe Angst wie beim E-Mobil: leer liegenzubleiben. Und die ist so unbegründet nicht. Nur etwa 900 Erdgas-Tankstellen gibt es in Deutschland. Rund die Hälfte gehört Stadtwerken, die ihre Busse damit versorgen. Entsprechend gebremst ist das Engagement. Mindestens die doppelte Zahl an Zapfsäulen sieht man als Grenze an, ab der der Absatz zunehmen dürfte.

Womöglich hat man das auch im politischen Berlin durchblickt. Auch weil E-Autos nicht annähernd so in Fahrt kommen wie die Koalition das gerne hätte. Noch nicht einmal mit Kaufprämie. Das Institut für Kraftfahrzeuge der TH Aachen hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministers eine CO2-Studie verfasst. Die Prognose für Erdgas-Autos bis 2030 schwankt darin je nach Fahrzeugklasse und Ölpreis-Entwicklung zwischen zwei und zehn Prozent – das ist deutlich mehr als der jeweilige Anteil von Elektroautos.

Und manchmal sind es ja kleine Indizien, die einen großen Verdacht begründen. So hat das Bundeskabinett beschlossen, die Steuervorteile für Flüssiggas 2018 auslaufen zu lassen, die für Erdgas aber bis 2026 deutlich zu verlängern. Gut möglich, dass da in Sachen Klima gerade ein Schlupfloch geöffnet wird.

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