Eigener Inhalt Über den Köpfen…

Wolfgang Plank

Fliegen könnte so schön sein – wäre da nicht der leidige Kampf mit den Tücken des Handgepäcks ...

 
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Ach ja, die Ferne. Ewig lockt sie mit wogenden Ozeanen, weißen Stränden, exotischen Orten. Wie schön müsste es dort sein. Wie spannend. Wie erholsam. Und wann, wenn nicht in den Ferien wäre die rechte Zeit für Besuche dort? In Thüringen und Sachsen müssen sie sich beeilen, in Bayern geht’s gerade erst los. Egal. Dauert doch bloß ein paar Stunden. Wozu gibt es schließlich all die vielen Flieger?

Und also bricht sie an – die große Zeit der großen Fußabdrücke. Am Ärmel noch die Wachsreste der jüngsten Lichterkette zur Rettung der Eisbären, in der Hand aber den Trolley. Ja verdammt, soll man vielleicht mit dem Zug nach Teneriffa? Insel geht nun mal bloß mit dem Jet, für eine Schiffspassage ab Travemünde und zurück reicht leider die Zahl der Urlaubstage nicht.

Okay, ein paar Flugschämer werden diesen Sommer vielleicht tatsächlich mit dem Zug in Harz oder Schwarzwald fahren, üblicherweise aber lässt der gemeine Deutsche auf seinen Düsen-Trip nichts kommen. Klima beschützen? Gerne – aber bitte nicht zwischen Juli und September. Und also stehen sie an den Flughäfen der Republik wieder quer durch sämtliche Hallen. Vor sich den Wagen mit zu Presswürsten folierten Koffern, im Schlepptau Gattin und krakeelende Kinderschar. Irgendwo am Kopf der Riesenschlange muss dieser verdammte Gepäckschalter doch sein.

Dabei ist, was handelsübliche Touristen dort abwerfen, gar nicht das Übel. Koffer landen weitgehend unbemerkt im Bauch des Fliegers und – wenn alles klappt – hintennach nicht nur am Band, sondern auch am richtigen Urlaubsort. Ungemach droht beim Handgepäck.

Was keinen wundern muss, wenn, erstens, nahezu jeder zum Rollköfferchen noch ein Laptop-Täschchen mit sich führt, einen Kleidersack oder wenigstens einen Beute-Beutel aus dem Duty-free-Shop. Und weil, zweitens, Handgepäck gerne auch Definitionssache ist. British Airways und Easyjet zum Beispiel erlauben Trolleys bis 56 mal 45 mal 25 Zentimeter, bei Lufthansa und Swiss sind es 55 mal 40 mal 23 und bei Air France und KLM 55 mal 35 mal 25. Was hier also locker mit in die Kabine darf, muss dort umständlich aufgegeben werden.

Immer für eine Überraschung gut sind Flüge, die im Verbund mehrerer Airlines durchgeführt werden. Hier gelten für Handgepäck nämlich nicht die Regeln der Fluggesellschaft, bei der man gebucht hat, sondern die, die ihn tatsächlich durchführt. Hat gelegentlich hohen Unterhaltungswert. So oder so soll alles irgendwie über den Sitz. Man könnte unterwegs ja dran müssen.

Mag der Mensch im Laufe seiner Entwicklung zu vielem fähig geworden sein – der geordnete Einstieg in ein Luftfahrzeug zählt nicht dazu. Natürlich fliegt der Erste nicht früher und der Letzte nicht später. Direkt über Kopf aber ist der Stauraum limitiert – und mit jedem Platz weiter vorne in der Boarding-Reihe steigt die Chance, seinen Kram unterzubringen. Sollen die Späteinsteiger doch schauen, wo sie bleiben. Haben ja den Fußraum unter den Vordersitzen. Oder müssen ihr Zeug halt abgeben. Altruismus mag sonstwo verbreitet sein – im Flieger ist rücksichtsfreie Zone.

Bestes Beispiel sind die Oberschlauen, die ihren Trolley schon in Reihe acht abwerfen, obwohl sie Reihe 27 sitzen. Vorteil: Man hat das Ding sicher deponiert, muss es nicht bis hinten schleppen und kann es später beim Ausstieg bequem mitnehmen. Nachteil: Die in Reihe acht haben ein massives Problem – aber das sind ja zum Glück die anderen.

Derweil wird den Herrschaften am Notausstieg nahegelegt, doch ihr Handgepäck bitte nicht vor sich abzuladen, alldieweil es da ja nicht sicher liegt und im Falle von Turbulenzen eine unerwünschte Eigendynamik entwickeln könnten. Es wird also zusätzlich eng im Oberstübchen.

Gegen Ende zu nahen die Schlichter und Stapler. Gerne mit Riesentrolley, dafür aber ohne Skrupel. Fremdes Köfferchen nach links, fremdes Täschchen nach rechts, zwei fremde Jacken nach gegenüber. Hauptsache, das eigene Monster findet exakt über dem Sitz auskömmlich Platz. Ob der Rest hintennach verzweifelt sucht – was soll’s?

Und dann kommt ja noch einer aus Reihe acht, der in Reihe zwölf ein letztes freies Plätzchen für seine Tasche erspäht hat. Was den Flug über nach Glücksfall aussieht, erweist sich beim Ausstieg als Schuss ins Knie. Mit freundlichen Worten gegen eine zum Ausgang drängende Urlauberschar angehen zu wollen, ist in etwa so aussichtsreich, als schwenkte man im Angesicht panischer Wasserbüffel ein weißes Fähnchen.

Ein Wunder ist es sicher nicht, dass Flug und Fluch zum Verwechseln ähnlich klingen …

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