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Wolfgang Plank

Mercedes zeigt mit der S-Klasse, was machbar ist. Doch wer sich chauffieren lässt, verpasst womöglich das Beste ...

 
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Der Anspruch ist für Forschungsvorstand Markus Schäfer klar. Das beste Automobil der Welt wollte man bauen, sagt er. Doch das ist keine Eitelkeit. Rechnet man die Top-Modelle vor der offiziellen Namensgebung 1972 dazu, haben schon mehr als vier Millionen Käufer eine S-Klasse gewählt – noch immer ist sie die meistverkaufte Luxuslimousine der Welt.

Auch die jüngste Generation glänzt in der Benz-Paradedisziplin: dem großen Einstieg. Was Türen anbelangt – und Technologie. Schließlich sind Komfort und Kraft selbst im Segment der Oberklasse längst nicht mehr alles. Schon 2014 gab’s darum den ersten Stern mit Stecker, ab Sommer 2021 soll auch im neuen Modell wieder ein Doppelherz schlagen.

Und wie: Satte 510 PS haben sie dem Wagen verpasst, der S 580e heißen wird – 367 davon entstammen einem Motor mit Kolben, der Rest einem mit Wicklung. Verbaut ist letzterer samt Leistungselektronik in der Glocke des Neun-Stufen-Wandlers. Dort wo – kleiner dimensioniert – auch die E-Hilfe der Mild-Hybriden sitzt. Das spart Platz und bringt Vorteile bei der Kühlung.

Im Zusammenspiel macht das Paket den Drei-Liter-Benz (Hubraum) zum Drei-Liter-Benz (Verbrauch). Jedenfalls beinahe. Schafft doch der Plug-In 100 Kilometer (WLTP) elektrisch. Bei Tests mit einem Vorserienfahrzeug standen an einem nasskalten Herbsttag 80 im Display. Die aber schwankten als Summe aus Strecke und Restreichweite stets bloß um zwei Kilometer. Schwäbisch genau halt – und vom Navi klug vorausberechnet.

Dabei darf es auch mal Tempo 140 sein, ohne dass es im Brennraum gleich gewittert. Einziges Manko: Der Kofferraum verliert wegen des Akkus zwölf Zentimeter nach unten. Für einen großen Koffer und drei Stück Handgepäck reicht das immer noch. Wahlweise auch für zwei Golf-Bags – eine in der Oberklasse höchst wichtige Maßeinheit. Dafür ist die lästige Stufe des Vorgängers einer ebenen Ladefläche gewichen. Und: Mit 28,8 kWh liegt die Batterie-Kapazität nun gut doppelt so hoch. Ebenfalls ein Fortschritt: Den S 580 e wird es auch mit kurzem Radstand geben und mit Allradantrieb.

Bleibt die Frage nach dem besten Platz? Wo die mit Abstand meisten S-Klassen rollen – im Reich der Mitte – sitzen Vertreter der ersten Reihe standesgemäß in der zweiten, weshalb von zehn Stuttgarter Flaggschiffen neun in der Langversion auf Kiel gelegt werden. Und darum lassen sich auf Knopfdruck – und gegen Aufpreis – die üblichen Dimensionen verschieben. Zugunsten einer ledernen Lümmellandschaft für den rechten Hintersassen. "Da legst di nieder", würde der Nachbar in München sagen.

Bei allem Fond-Komfort indes lässt sich der Chauffierte etwas entgehen. Trotz 5,18 Metern (Langversion: 5,29) und 2,4 Tonnen Gewicht geht es im S 580e nämlich federleicht und strichgenau um alle Radien. Jedenfalls dann, wenn man die serienmäßige Luftfederung von zart gen hart trimmt. Noch mehr Spaß hat, wer die Allrad-Lenkung ordert. Die macht den Wuchtbrummer nicht bloß wendig im Parkhaus, sondern auf der Straße so agil wie eine A-Klasse. Am Ende limitieren jedenfalls eher die 300 Zusatz-Kilo den Bogenspaß als der Radstand.

Nicht mal mehr lenken und bremsen müsste man, weil der Top-Benz auf Wunsch rundum Obacht gibt, automatisch in der Spur bleibt, auf das richtige Tempo achtet, gebührend Abstand hält und – wenn sonst nichts mehr hilft – den Anker wirft und bei drohendem Seitencrash das Chassis um acht Zentimeter anhebt.

So oder so: Irgendwann ist selbst mit Rekuperation (bis 120 kW) der Saft alle. Laden lässt sich der S 580e mit 11 kW Wechselstrom oder besser noch mit 60 kW Gleichstrom. Damit ist der Akku in knapp einer halben Stunde voll. Sehr viel länger dauert ein Sprit-Stopp samt Kaffee auch nicht wirklich.

Erholen muss man sich dabei ganz sicher nicht vom Fahren, womöglich aber von der schieren Menge an Technik. Mit Kameras und Algorithmen erkennt der Benz Wünsche der Insassen. Kramt der Fahrer im Dunkeln auf dem Beifahrersitz, geht automatisch das Licht an. Der Clou indes ist das dreidimensionale Display hinter dem Lenkrad. Es projiziert schwirrende Richtungspfeile virtuell vors Auto. Das ist im Wortsinn: ganz großes Kino.

Zum opulenten Zierrat aus Lack, Holz oder Leder gibt’s Klima-Komfort, Duft-Erlebnis und Musik, die bis in den Sitz wummert. So muss man sich Wohl-Fahrt vorstellen. Wen da das Gewissen plagt – zur Wahl stehen auch Naturfasern und für den Boden Recyclinggarn aus alten Fischernetzen.

Unter der großen Haube debütieren zum Marktstart im Dezember ein Selbstzünder mit 330 PS, dem in Kombination aus Fahrspaß und Verbrauch so schnell keiner den Sprit reichen kann, sowie ein Pendant mit 286 PS – die einzige S-Klasse, bei der es mit 96 094 Euro gerade noch fünfstellig abgeht. Kerzengezündet stehen 367 und 435 PS zur Wahl.

Bereits im März folgen der Plug-In sowie ein V8 Mild-Hybrid, später im Jahr schiebt Mercedes noch einen über den langen Radstand hinaus gestreckten Maybach nach sowie eine vom Haus-Veredler AMG ertüchtigte Version. Schwer vorstellbar, dass damit jemand autonom unterwegs sein möchte.

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