Der gewaltige Unterschied nämlich: Während Raucher, Schlemmer, Säufer und Faulenzer bloß sich selbst zugrunde richten und allenfalls Kranken- und Sozialkassen schädigen, gefährden Raser stets auch andere an Leib und Leben. Da mag die Eigenwahrnehmung noch so anders sein – die Wenigsten derer, die die linke Spur für eine Tiefflug-Schneise halten, wären zu einer angemessenen Reaktion auch nur ansatzweise imstande, falls plötzlich Unvorhergesehenes passierte.
Ein Beleg hoher Fahrkunst ist die Jagd auf der Geraden ohnehin nicht. Könner – und Könnerinnen – beweisen sich eher in couragierter Bogenfahrt. Wer also glaubt, es besonders ambitioniert treiben zu müssen, steuere Sachsen-, Lausitz- oder Nürburgring an. Besucher-Ticket lösen und nach Herzenslust im Grenzbereich gastieren. Beschert vor Ort jede Menge Spaß – und Seelenruhe im Alltag, wo kein Kiesbett schützt und kein Reifenstapel.
So ein Tempolimit müsste ja nicht zwanghaft bei 130 liegen. Warum nicht ohne Schaum vor dem Mund über 160 reden? Sehr viel schneller fahren auf Dauer doch sowieso die Wenigsten. Nach einem Jahr Test könnte man dann ja mal bilanzieren, ob bei all den guten Effekten tatsächlich so viel Zeit und Lebensgefühl verloren geht. Was eher wenig taugt, ist der reflexhafte Verweis auf die Gefahr für den Standort Deutschland. Würden sich Tempolimit und der Wunsch nach schnellen Autos nämlich ausschließen, müssten Porsche und Co. fast überall auf der Welt ihre Verkaufsräume zusperren.
Stattdessen duckt sich die große Koalition weg. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) päppelt unverdrossen die schnelle Hälfte des fahrenden Volkes – und seine Umwelt-Kollegin Svenja Schulze (SPD) notgedrungen die langsame. Für die Klimaziele bedeutet das: Jetzt erst mal nicht, irgendwann aber umso ehrgeiziger. Hauptsache später.
Dabei hätten Frau Schulze und mit ihr die SPD nicht nur die stärkeren Argumente, sondern laut Umfragen sogar eine Mehrheit. Andreas Scheuer hingegen fiel bislang bloß ein, die Debatte als "gegen jeden Menschenverstand" abzutun. Allerdings wollte der Mann auch schon die Bundestags-Experten des Wissenschaftlichen Dienstes vom Hof jagen – weil sie lange vor dem Europäischen Gerichtshof festgestellt hatten, dass Scheuers Maut nicht rechtens sei.