Drei Monate später würde in Barcelona das erste Rennen der Saison 2017 starten. Was bedeutete: Erstens keine Zeit und zweitens kein Budget für Entwicklungen. Also nahm man in Hannover zwei ausgemusterte Polo-Karossen, implantierte den knapp 600 PS starken Zwei-Liter-Turbo aus dem Beetle der amerikanischen GRC-Serie und ertüftelte eine stärkere Kraftübertragung. Schließlich hatten die Rallyeautos nur halb so viel Leistung. Einziger Kompromiss: Während bei den meisten Autos der Kühler zum Schutz vor Steinschlag in den Kofferraum wanderte, musste er beim Polo vorne bleiben. Irgendwann wäre sonst die Zeit davongelaufen.
Dass es trotz aller Eile kein hektisch zusammengebasteltes Auto war, stellte sich alsbald heraus. Zwar gewann Ekström im Audi die ersten drei Rennen, doch dann schlugen Solberg und vor allem Kristoffersen zurück. Der stellte den Polo sechsmal auf Platz eins und wurde vorzeitig Champion. Noch dramatischer: Vor dem letzten Lauf am 12. November in Kapstadt hält Solberg Platz zwei der Gesamtwertung. Er hatte sich bei einem Unfall das Schlüsselbein und zwei Rippen gebrochen sowie die Lunge gequetscht. Vier Tage nach der OP ging er mit einer Spezialmanschette auf dem Estering bei Buxtehude an den Start, schaffte es sensationell ins Finale und wurde Vierter. Gut 15 000 Zuschauer feierten ihn wie einen Helden.
Huldigungen des Publikums für schnelle Reparaturen sind dagegen eher selten. Die Fahrer indes wissen, was sie an ihren Mechanikern haben. Die Verluste auf der Strecke sind gelegentlich hoch. Gut, eine Truppe von Spezialisten zu haben, die blind jede Schraube am Auto kennt. Die in neun Minuten ein Getriebe wechselt und in zwölf eine Hinterachse. Und die, wenn’s sein muss, ein onduliertes Chassis fahrfertig dengelt, noch bevor den Zuschauern im Service-Park der Kaffee kalt wird. Reparatur nach Choreographie. Hunderte Male geübt.
Vorbereitet muss man halt sein. Im Truck liegen Kotflügel, Stoßfänger, Fahrwerke, Achsen, Kühler und was sonst noch so alles kaputtgehen könnte. Aber das kennen sie bei VW Motorsport bestens aus der Rallye-WM. Und auch, dass Qualität und Zuverlässigkeit Schlüssel zum Erfolg sind. Alle Teile sind zig-fach geprüft. Die älteste Motorsport-Weisheit, wonach erst im Ziel sein muss, wer Erster im Ziel sein will, gilt auch hier.
2018 soll die Show WRX weitergehen. Mit VW Motorsport. Ford steigt aus, dafür will Peugeot ausdrücklich den Titel. Eine klare Kampfansage. Womöglich muss es der Polo dann in 1,8 Sekunden schaffen . . .