Eigener Inhalt Mit Luft zu Strom

wpl, Fotos: , AdobeStock

Irgendwie klingt es wie ein Witz: Nach rund 130 Jahren mit diversen Verbrennungsmotoren soll der Automobilbau sich jetzt bitte ganz schnell dahin entwickeln, wo er 1888 begonnen hat: Richtung Elektroantrieb. Zum Lachen indes ist die Idee kein bisschen. Sie ist auch nicht Technikern eingefallen, sondern der Politik. Klimaziele in Gefahr? Feinstaub-Alarm? Fahrverbote? Dann eben schneller Tod dem Diesel und noch schneller her mit Akku-Autos. Hauptsache: Handlungsfähigkeit suggerieren.

 
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Leider funktioniert Elektromobilität nicht so einfach wie Regierende das gerne hätten. Für die Energie aus fünf Litern Sprit braucht es einen Akku mit 300 Kilo und mehr. Wo all die Speicher für Millionen Autos herkommen sollen und wo Leitungen und Strom – darauf hat in Berlin bislang noch niemand so recht Antworten gegeben. Am wenigsten die Bundeskanzlerin. Das vollmundige Versprechen von einer Million E-Autos bis 2020 ist jedenfalls längst einkassiert. Trotz Prämie. Die Menschen wollen einfach nicht kaufen. Zu wenig Reichweite, zu hoher Preis, zu wenig Vertrauen. Mehr Desinteresse an staatlicher Förderung war selten.

Bei all dem Regierungsbildungs-Gezerre ist eine andere Alternative zum Kolbenmotor etwas aus dem Blick geraten: Wasserstoff. Eine Art Zauber-Formel. Das im Überfluss vorhandene Gas erzeugt mit dem Sauerstoff der Luft Energie, treibt einen E-Motor im Wagen – und hinterlässt nichts als ein paar Tröpfchen harmloses H2O. Zapfen lässt sich wie gewohnt, es dauert nicht länger als beim Sprit, und eine Ladung reicht für 500 Kilometer und mehr. Kein Vergleich mit einem Akku-Auto, das gefühlt alle paar Häuserecken an die Dose muss und schneller stromlos wird, als man eine Ladesäule findet.

Weil die Technik so fasziniert, haben es Prototypen bislang auf viele Ausstellungen geschafft – nur eben nicht sehr viel weiter. BMW hat das Hydrogen-Zeitalter schon mal ausgerufen, Opel ebenso, und gerade macht sich Mercedes wieder daran. Seit Jahren gebaut hat man indes in Asien. Toyota wird für den Mirai längst nicht mehr so belächelt wie 1997 für den ersten Hybrid-Prius, Hyundai ist mit ein paar hundert ix35 FuelCell mittlerweile Marktführer in Europa.

Gelähmt wird die Massenproduktion derzeit noch von den Kosten. Knappe 80 000 Euro nimmt Toyota für den Mirai, Hyundai 66 000 Euro für den ix35 Fuel Cell. Dass allein die Brennstoffzelle 40 000 Euro verschlingt, liegt vor allem am Edelmetall Platin, das als Katalysator dient und meist teurer gehandelt wird als Gold. Und ob der chemische Strom-Erzeuger ein Autoleben lang hält, muss sich noch erweisen. Wenigstens scheint verhindert, dass sich das Gas schon nach Stunden aus dem Tank davonmacht.

Dummerweise ist nicht nur die Technik teuer, sondern auch die Füllung. Wasserstoff ist zwar das am meisten verbreitete Element des Universums, kommt aber auf der Erde fast nur gebunden vor. In Wasser etwa oder in Erdgas. Um ihn herauszulösen braucht man Strom. Viel Strom. Deutlich mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht dabei verloren. Und es hilft der Umwelt wenig, "grünes" Gas mit brauner Kohle zu gewinnen.

Bliebe noch die pfiffige Idee, Wasserstoff mit überschüssigem Strom aus Windkraft und Sonnenenergie herzustellen. Das funktioniert in der Theorie besser als in der Praxis, weil Überschuss nicht immer da anfällt, wo man den Strom auch braucht – ein bedenkenswerter Ansatz ist es gleichwohl.

Ein eher banales, aber gleichwohl nur teuer zu lösendes Problem ist die Versorgung mit Zapfsäulen. Nicht einmal 40 davon gibt es derzeit in Deutschland. Flächendeckend geht anders. Strom für Elektroautos liefern immerhin schon mehr als 4000 Ladestellen. Zum Vergleich: Für Benzin und Diesel gibt es in Deutschland rund 14 000 Stationen.

Dem Missstand will ein Verbund aus Gas-Unternehmen und Autobauern beikommen: Bis 2023 sollen 400 Wasserstofftankstellen in Deutschland stehen – die ersten 100 bis 2019. Das ist noch nicht einmal die Hälfte der 1000, die der Gas-Hersteller Linde für notwendig hält, und doch schon eine Investition von ein paar hundert Millionen Euro. Für ein europaweites Netz werden die Investitionen gar auf rund zehn Milliarden geschätzt.

Allerdings wartet da auch gewaltiges Potenzial. Eine Studie des "Hydrogen Council", dem auch Audi, BMW, Daimler, General Motors, Honda, Hyundai und Toyota angehören, geht davon aus, dass bis 2030 mindestens zehn Millionen Pkw sowie 500 000 Lkw mit Wasserstoff fahren könnten.

Gut möglich, dass andere Hersteller einfach nur abwarten. Schließlich ist das Wasserstoff-Auto mit dem E-Auto weitgehend baugleich. Nur dass der Strom nicht aus Akkus kommt, sondern aus einem Bord-Kraftwerk. Und das könnte man bei eigenen Modellen blitzschnell nachrüsten.

Womöglich sollte man bei all dem Zukunftsblick aber auch den Feinschliff am Verbrenner nicht vergessen. Für die nächsten 20 Jahre werden wir ihn nämlich noch dringend brauchen. Ob es der Politik gefällt oder nicht.

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