Eigener Inhalt Ladies Night

Wolfgang Plank

Beim 24-Stunden-Klassiker am Nürburgring sorgt ein reines Damen-Team für großen Sport.

 
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Mehr Männerland geht schwer. Mögen sie im Rest der Republik reden, wie sie wollen – an einem Ort in der Eifel haben Gleichstellungsbeauftragte einen schweren Stand. Da, wo man feuerfesten Anzug trägt, und der Schlagschrauber die Musik macht. Wo seit mehr als 70 Jahren das Gesetz der Stoppuhr gilt – und die eherne Regel, dass erst im Ziel sein muss, wer Erster im Ziel sein will. Wohin die Jünger genau deswegen pilgern wie zu einer Kultstätte: Weil es die Nordschleife ist. Die längste Rennstrecke der Welt und auch die schwerste. Und wo die Gefeierten eben Ferfried heißen, Hans Joachim, Niki oder Timo – aber nur höchst selten Sabine oder Ellen . . .

Also war die Idee eine kühne: Das legendäre 24-Stunden-Rennen – und nicht nur am Lenkrad Frauen, sondern auch in der Box und am Kommandostand. Ein komplettes Team ohne Männer. Der Name, fast schon logisch: Girls only. Das Auto: ein VW Golf TCR. Zwei-Liter-Turbo, 350 PS. Wie gemacht für die 25 Kilometer mit ihren 33 Links- und 40 Rechtskurven.

Dass es nicht einfach werden würde, war allen klar. Jedes Rennen auf der Nordschleife ist hart. Aber ein Auto über Tag und Nacht zu bringen, ist noch mal eine andere Nummer. 24 Stunden Volllast, unterbrochen nur für Sprit, neue Räder, den Tausch am Lenkrad und kleinere Richtarbeiten. Für mehr bleibt beim Nürburgring-Klassiker keine Zeit. Die Konkurrenz ist böse und schläft nicht. Und es sind fast nur Männer . . .

Drei Rennen der VLN-Serie hat die Girls-only-Truppe mit Blick auf den D-Day absolviert, dazu die Qualifikation fürs Feld der 160 Starter. Alles läuft bestens für Nummer 89. Am Abend vorher muss noch die Frontscheibe getauscht werden. Fällt unter Routine, genauso wie das Warmfahren der Bremsen. Derweil steht auch die Strategie: Die Schweizerin Jasmin Preisig fährt bis zum ersten Tankstopp, dann folgen die beiden Deutschen Carrie Schreiner und Ronja Assmann. So weit, so Plan.

Doch wie gerne am Ring kommt alles anders. Und schlimmer. Das 24 Stunden-Rennen ist gerade 20 Minuten alt, da schlägt eine aufgewirbelte Schraube im Kühler ein. Erst geht die Temperatur gen rot, dann der Öldruck in den Keller. Jetzt weiterzufahren wäre Mord am Motor. Üblicherweise würde man den Wagen in die Ecke stellen, böse fluchen und ein Frustbier köpfen oder zwei. Aber dann würden doch alle sagen: "Schau, die Mädels haben’s nicht hingekriegt." Und also fällt die Entscheidung schnell: Motorwechsel.

Natürlich haben sie am TCR-Golf geübt. Räder, Bremsen, Antriebswellen. Was man üblicherweise so tauscht, wenn man zwei Umläufe des kleinen Zeigers am Stück unterwegs ist. Aber Motor samt Getriebe – nein. Ab sofort muss das Team um Chefin Ellen Lehmann und Renn-Ingenieurin Corinna Schäfer improvisieren.

Der Mädels Malheur spricht sich herum, verwandelt das Tor zur Box in einen Zuschauerraum. Zwei Reihen Klappstühle, dahinter drei bis vier Stehränge. Schraubende Damen auf offener Bühne – dieses Stück hat was. Und ja: Es gibt auch jämmerlich dumme Kommentare. Selbstverständlich von Männern. Das Gros des Publikums aber fiebert mit bei der Ladies Night. Irgendwann noch mal raus mit der Karre und aus
eigener Kraft über die Ziellinie – das wär’s doch.

Doch der Ausbau zieht sich. Selbst ein Rennwagen hat noch Mengen an Kabeln, Leitungen und Schrauben. Endlich sorgt der Kran für Leere im Vorderwagen. Ab jetzt beginnt Phase zwei: Getriebe, Lichtmaschine, Teile des Laders – alles muss umgebaut werden.

Für eine bunte Truppe machen die Damen ihren Job bestens. Die drei Fahrerinnen zu finden, war nicht so schwer. Die Crew indes musste sich über Netzwerke bewerben: Mechatronikerinnen, Ingenieurinnen, Kfz-Meisterinnen, Hobby-Schrauberinnen – von 40 blieben am Ende 17 übrig. Und die Bewährungsprobe könnte größer nicht sein.

Derweil ist die Nacht hereingebrochen. Noch immer steht der TCR-Golf aufgebockt, während die Konkurrenz Runde um Runde dreht. Doch die Zuschauer am Tor sind kaum weniger geworden. Schlaf ist rund um die Nordschleife eher kein Thema. Schon gar nicht, wenn groß gekämpft wird. Endlich Szenenapplaus: Kurz vor drei Uhr morgens läuft der Motor. Nichts klappert, nichts tropft. Doch Murphys Gesetz gilt auch in Box 23. Ein Problem mit der Elektronik verzögert den Start noch einmal.

Im Morgengrauen schlägt die Müdigkeit endgültig in Jubel um: Nummer 89 lebt. Fährt fortan, als ob nichts gewesen wäre. Bis um 15.30 Uhr die schwarz-weiß-karierte Flagge fällt.

Das Podium in der Klasse hatten die Mädels vor dem Start im Visier. Am Ende hat es nicht mal für einen Pokal gereicht – aber für einen Auftritt, von dem sie am Ring noch sehr lange reden werden. Sogar die Männer . . .

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