Eigener Inhalt Kia Stinger: Quer ist mehr

Wolfgang Plank

Er war der Wagen, der den Koreanern noch fehlte. Genau die geile Kiste, die endgültig Schluss machte mit dem angestaubten Image von Tigernase, billig und sieben Jahren Garantie. Ein Kia Wow, wenn man so will. Einer, der eben nicht nur im Kopf überzeugt, sondern vor allem im Bauch. Nur dass er nicht Wow heißt, sondern Stinger. Übersetzt: Stachel.

 
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Und ein bisschen pieksen soll der schon. Zuvörderst jene, die Weiß-Blau im Logo tragen oder Ringe. Vor allem aber wollen die Koreaner zeigen, was sie können. Darum sehen sie in dem viertürigen Gran Tourismo auch die neue Spitze der Marke. Flaggschiff würde dann doch zu behäbig klingen.

Fürs neue Modelljahr hat Kia den Stinger ein wenig aufgestachelt. Die Top-Version GT verfügt jetzt ab Werk über ein mechanisches Sperrdifferenzial. Und weil sich mit der neuen Steuerelektronik erstens das volle Drehmoment nach hinten leiten und, zweitens, die gesamte Assistenten-Schar beurlauben lässt, wird nun auch gepflegte Querfahrt möglich.

Besonders gelungen: Anders als früher muss man bei derlei Schwenks um die Hochachse der ehemals etwas irritierten Automatik nicht mehr helfend in die Wippen greifen. Die manuell gewählte Fahrstufe bleibt – wenn man will – auch bei extremen Drehzahlen unverändert. Da gilt tatsächlich der alte Satz: "Fährste quer, haste mehr."

Von der variierbaren Ambiente-Beleuchtung und dem nun rahmenlosen Acht-Zoll-Touchscreen abgesehen, ist der Stinger zum Glück ganz der Alte. Gestreckte Motorhaube, gezogenes Dach. Vorne ist knapp vor dem Rad Schluss, hinten hängt der Stinger lang über. Eine Mischung aus Mustang und Panamera. Stolze 4,83 Meter lang und trotzdem sportlich geduckt. Mit gewaltigen Lufteinlässen, seitlichen Kiemen und dicken Rohren am Ende.

Und das ist nicht nur Show. Satte 366 PS haut der GT aus einem 3,3-Liter-V6 in den Antriebsstrang, schiebt den Stinger in fünfeinhalb Sekunden auf Landstraßen-Tempo, weiter bis 270 – und dank gewaltiger Bremsen geht’s auch zügig wieder runter. Der etwas martialische Vergleich mit der Boden-Luft-Rakete gleichen Namens kommt da nicht von ungefähr. Doch Freude an flotter Fahrt schafft nicht Kraft allein. Und da ist Kia Vorzügliches gelungen: Steifes Chassis, gute Balance, präzise Lenkung und der leicht hecklastige Allrad sorgen für echtes Volant-Vergnügen.

Und ja, man kann im Stinger auch fernöstlich gelassen unterwegs sein. Mit ordentlich Platz im Fond, Komfort-Einstellung im Fahrwerk – vor allem aber mit der Chance, in die Nähe des Normverbrauchs von 10,5 Litern zu steuern. Leichter fällt geruhsame Fahrt mit dem Zwei-Liter-Vierzylinder (ab 44 490 Euro), der seine 245 PS achtern anreicht. Dritter im Bunde: Ein 2,2-Liter-Diesel mit 200 PS (ab 45 590 Euro), der mit einer getriebenen Achse zu haben ist und für 2000 Euro Aufpreis auch mit deren zwei.

Für den ganz spitzen Stachel ruft Kia 54 900 Euro auf. Das ist nicht wenig Geld – und verglichen mit der Konkurrenz doch fast ein Schnäppchen. Immerhin haben alle Stinger serienmäßig Acht-Stufen-Automatik, Leder, Sitz- und Lenkradheizung, Navi, Head-up-Display sowie Assistenten, die über Spur, Abstand und Fahrtüchtigkeit wachen – und zur Not auch bremsen. Der GT wartet zudem mit belüfteten Sitzen, Soundsystem, Kurvenlicht, Rundum-Kamera und allerlei mehr auf.

Die vielleicht schönste Sonderausstattung aber bleibt das kleine bisschen Unvernunft…

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