Eigener Inhalt Härte 10 - Rolls Royce Cullinan

Wolfgang Plank

Mit allzu irdischen Begriffen halten sie sich bei Rolls Royce üblicherweise nicht auf. Weil die Modelle ja irgendwie etwas Entrücktes haben, heißen sie Ghost (Geist), Wraith (Gespenst) und selbstverständlich Phantom. Samt und sonders unfasslich. Getreu dem "Spirit of Ecstasy" eben - dem Geist der Verzückung. Kühler-Zierde und Symbol seit 1911.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Doch mit dem Spuk ist es erst einmal vorbei. Für den ersten Geländewagen ihrer Geschichte sind sie in Goodwood auf Greifbareres verfallen. Geerdeteres gar. Aber der Name Rolls Royce verpflichtet halt auch am Boden. Wenn schon, dann wenigstens Diamant – das Härteste, was die Natur hervorbringt. Und wenn schon Diamant – dann mindestens der größte, den man je gefunden hat: der Cullinan. Hoch-Karäter im Wortsinn und obendrein Kronjuwel. Wenn das keine Botschaft ist …

Wie Diamant auch das Design. Ist der doch die kubische Ausprägung des Kohlenstoffs. Kantig also und würfelförmig erhebt sich der Cullinan. 5,34 Meter lang, zwei Meter breit, 1,83 Meter hoch, 2,7 Tonnen schwer. Ein Kühlergrill wie eine Wand. Der dickste Brocken, mit dem man derzeit neben der Spur sein kann. Dieser Tage werden die ersten Exemplare ausgeliefert.

Ein Rolls, der sich gern schmutzig macht. Mit Allradantrieb, 54 Zentimetern Wattiefe und auf Wunsch mit Anhängerkupplung. Was wohl die Queen dazu sagt? Immerhin: Innen geht es standesgemäß zu. Opulenz ab Werk. Alles vom Allerfeinsten. Vogelaugenahorn, Walnuss, bestes Leder. Stets noch ein klein wenig erlesener als anderswo. Wen die "Flying Lady" mit ihrem wehenden Kleid beflügelt, der fährt eben ganz vorne.

Und einzigartig obendrein. Stets rollt am Ende ein Unikat aus den heiligen Hallen südlich von London. Die legendäre Kühlerfigur und der Grill sind für Veränderungen tabu, ansonsten geht alles, was das Herz begehrt und die Hand bezahlt. Selbst ausgefallenste Farbwünsche sind für die hauseigenen Veredler von "Bespoke" kein Problem. Schon gar nicht das Monogramm im Sitz, der integrierte Humidor oder für den passionierten Jäger edle Halter für Thermoskanne und Fernglas.

Umso überschaubarer ist die Motoren-Palette. Zwölf Zylinder. Punkt. Alles andere wäre Verzicht. Und völlig unangemessen dort, wo Rolls Royce sich verortet: an der Spitze. Vorbei jedoch die Zeiten, in denen man gönnerhaft mitteilen ließ, die Fahrzeuge seien "ausreichend motorisiert". Heute kann der Kunde Details nachlesen. Exakt 571 PS kommen aus der Tiefe von fast sieben Litern Hubraum – und imposante 850 Nm Drehmoment bei wenig mehr als Leerlaufdrehzahl. Dass im britischsten aller Gefährte bayerische Herzen schlagen, mag für Puristen ein Problem sein. Dass man unter 20 Litern Verbrauch schwerlich davonkommt, eher nicht.

Acht Fahrstufen geleiten sanft voran. Dank GPS kennt das Getriebe den Weg und kann passend sortieren. Und trotz 2,7 Tonnen käme man sogar in 5,2 Sekunden von Null auf Hundert. Aber einen Rolls treten? Nein! Wer nicht die Zeit hat, in Würde zu akzelerieren, sollte wohl besser woanders einsteigen.

Apropos: Die seitlichen Portale öffnen auch beim Cullinan gegenläufig. An Platz herrscht kein Mangel. Was nicht verwundert bei 3,30 Metern Radstand. Hinten hat man die Wahl: Dreier-Sitzbank zum Umklappen oder Einzelsitze mit Bar in der Mittelkonsole. Zugang zum Gepäck-Abteil verschafft – selbstverständlich elektrisch – eine zweigeteilte Heckklappe, deren unteres Drittel eine prima Picknick-Bank abgibt. Wer lieber Lasten als Leute transportiert – komplett bestuhlt packt der Gigant aus Goodwood 600 Liter weg, flachgelegt sind es knapp zwei Kubikmeter.

Und so schwebt man dahin. Luftgefedert, schallgedämpft und rundum erwärmt. Derweil eine Kamera die Straße im Blick hat und das Fahrwerk auf Ungemach einstellt. Sollte ein Rad gar Traktion verlieren, wird automatisch nachgedrückt. Weil nicht nur alle vier Räder treiben, sondern auch lenken, kurvt sich’s durchaus kommod. Bei schneller Bogenfahrt indes neigt der Cullinan zum Neigen.

Dafür kann man auch mal abseits des Asphalts unterwegs sein. Die 22-Zöller sorgen für ausreichend Luft nach unten, per Offroad-Knopf gibt’s noch mal vier Zentimeter extra. Den Rest erledigen diverse Fahrprogramme für Schnee, Sand oder Matsch.

Das alles hat seinen Preis. Einem Diamanten angemessen. Ab 313 350 Euro kann man einen Cullinan sein eigen nennen. Die meisten dürften deutlich teurer verkauft werden. Rund ums Juwel sind Sparfüchse und Krämerseelen üblicherweise selten zu finden.

Bilder