Eigener Inhalt Die feuerrote Linie

Wolfgang Plank

Kurz vor Ende des Golf 7 bringt VW den GTI TCR mit 290 PS. Nicht ganz billig, aber ein Straßen-Renner.

 
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Auf der Straße hat der GTI kein Vorbild. Er selbst ist der Inbegriff kompakter Sportlichkeit. Namensgeber einer ganzen Klasse. Wenn also der traditionell Rot-Linierte höchstselbst nach oben schielt, muss das Maß woanders liegen. Da, wo die Fahrbahn üblicherweise nicht von Leitpfosten begrenzt ist, sondern von rot-weiß lackierten Curbs.

Der original GTI TCR ist kein normaler Golf. Nur aus der Ferne sieht er beinahe so aus. Selbst dann indes müsste man sich die dicken Backen wegdenken, den gewaltigen Luftauslass in der Motorhaube und den wuchtigen Heckflügel. Aber dann wären die 350 PS irgendwie nicht stilecht verpackt.

Und vielleicht muss man so eine Rundenzeitmaschine einfach mal gefahren sein, um ihre Faszination zu ermessen. Auch wenn das Ambiente wenig einladend wirkt. Das Innere ausgeräumt, die Fahrgast-Zelle eine im Wortsinn. An die 40 Meter kunstvoll verschweißtes Stahlrohr, spartanische Sitzschale, Gurte, Feuerlöscher, Regler für die Brems-Balance. Komfort ist nun mal nicht die Kernkompetenz eines Rennwagens.

Getestet wird auf dem Kurs von Portimao. Strahlender Sonnenschein, kühler Asphalt. Wer noch Autos ohne elektronische Unterstützung kennt, ist im Vorteil. Auf der Rundstrecke haben Assistenten frei. Selbst eine Servobremse sucht man vergeblich. Bei ordentlichem Tritt jedoch verzögert der Renn-Golf, als würfe man einen Anker. Auch dann noch, wenn die Scheiben heiß sind und es unter dem Serienpedal längst weich würde.

Gutmütigkeit indes ist nicht serienmäßig. Der Golf TCR macht, was man will. Und zwar genau das. Äußerste Aufmerksamkeit am Volant ist daher oberstes Gebot. Gefühl im Gasfuß obendrein. Selbst mit einem Harmlos-Setup arbeitet das Heck bei jedem Lastwechsel. Auch mit Slicks. Hat man den Bogen aber erst mal raus, lässt sich der TCR sauschnell ums Eck treiben. Und an das sequenzielle Getriebe, dessen Gangwechsel sich nach Hammerschlägen anhören, gewöhnt man sich fast blitzartig.

Wem das dann doch ein wenig zu heftig ist – es gibt den GTI TCR jetzt auch als Ableger für die Straße. Ohne Käfig selbstverständlich, ohne Gewinde-Fahrwerk und mit deutlich sanfterem 7-Gang-DSG. Immerhin aber mit satten 290 PS, die einen im 5,6 Sekunden auf Landstraßen-Tempo bringen. Das Renn-Original ist bloß vier Zehntel flotter und schneller als die serienmäßigen 250 Stundenkilometer fährt es auch nicht.

So geigt der GTI TCR auf, dass es eine Freude ist. Und das für den Fahrer völlig stressfrei. Trotz der 45 PS Mehrleistung zum bisherigen Front-Primus GTI Performance. Er ist präzise zu lenken, wunderbar zu kontrollieren und erst sehr, sehr spät an seinen Grenzen. Das liegt auch an den 1410 Kilo, mit denen ein Auto heutzutage ja schon als leicht gilt.

Wer genau hinsieht, erkennt den TCR schon von außen: 18-Zöller, Verbreiterungen an den Schwellern, Frontsplitter, Dachkantenspoiler und Diffusor am Heck. Dazu gibt’s Gimmicks wie das Lenkrad mit roter Markierung an der 12-Uhr-Position oder ein projiziertes TCR-Logo am Boden, wenn man die vorderen Türen öffnet. Viel wichtiger indes sind gelochte Bremsscheiben, Differenzialsperre und die gut konturierten Sportsitze. Eine Schau ist das digitale Cockpit mit gestochen scharfen Grafiken.

In Sachen Unterstützung fährt der Golf auf Scheinwerferhöhe mit Passat und Arteon. Der modulare Querbaukasten macht’s möglich. Wenn man es sich leisten mag und kann, hält der GTI TCR artig Spur und Abstand, äugt achtsam in den Querverkehr, hilft beim Spurwechsel und parkt sogar selbstständig ein. Front-Assist samt Fußgänger-Erkennung und Notbremse sind ab Werk immer an Bord. Alles gewichtige Argumente, falls man einen Sportwagen mit roten Bremssätteln und Doppelrohr-Auspuff zu Hause nur schwer durchsetzen kann.

Gut wappnen sollte man sich auch für die Preis-Diskussion. Denn das Minimalgebot von 38 950 Euro ist eher theoretischer Natur. Wer 2350 Euro extra in die Hand nimmt, handelt sich dafür zwei Zentimeter kürzere Federbeine samt regelbarem Fahrwerk ein – samt Wahlschalter für zart bis hart, 19-Zöller und eine Vmax-Anhebung auf Tempo 260. Für 850 Euro mehr gibt’s straßentaugliche Semi-Slicks dazu.

Die Vier vorne ist nicht wenig Geld für eine Art "Last Edition" des Golf 7. Auch wenn ihn eine rote Linie ziert, gemessen an der Leistung sogar eine feuerrote. Der Gegenwert an Freude allerdings ist hoch – und verglichen mit den 115 000 Euro plus Steuer für das Rennauto ist der Straßen-TCR fast schon ein Schnäppchen.

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