Eigener Inhalt Das neue Flach-Schiff

Wolfgang Plank

Hartnäckig sind sie bei Volkswagen, das muss man ihnen lassen. Nach dem 15 Jahre währenden Phaeton-Untergang und dem eher überschaubaren Erfolg des CC haben sie erneut etwas Großes, Breites und vor allem Flaches auf Kiel gelegt. Schwungvoll und ambitioniert wie ehedem, technisch ganz weit vorne – und darum ist der Arteon auch nicht weniger als das neue Flaggschiff der Wolfsburger.

 
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Gesucht haben sie am äußersten Rand des modularen Querbaukastens. Herausgekommen sind am Ende wuchtige 2,84 Meter Radstand und 4,86 Meter Länge. Dazu vier rahmenlose Türen, ein schnittiges Dach, ein Gepäckfach, das mit 563 Litern und umgeklappt mehr als anderthalb Kubikmetern so manchen Kombi vergessen macht – sowie eine gewaltige Motorhaube, die sogar die Kotflügel überdeckt. Für VW-Verhältnisse ist das eine Revolution. Mindestens.

Das Beste aus Limousine und Sportwagen wollten sie verbinden, heißt es bei VW. Und in der Tat haben sie einen guten Spagat ohne schlechten Kompromiss hingekriegt. Sportlich in jedem Fall der Zustieg: Die Tür eröffnet viel Breite, aber nicht allzu viel an Höhe. Hat man es geschafft,
wartet der Arteon mit schicker Umgebung, makelloser Verarbeitung und viel Freiheit auf. Selbst in zweiter Reihe. Vorausgesetzt, man trägt sein Haupt
nicht höher als 1,85 Meter. Ein kleines Opfer muss man für das geduckte Design halt schon
bringen.

Am besten aber nimmt man sowieso dort Platz, wo ein Gran Turismo den meisten Spaß macht: vorne links. Gut konturierte Sitze, digitales Cockpit, alles Wissenswerte auf dem Head-up-Display. Nur die Uhr über der Mittelkonsole tickt noch anlog.

Austariert und abgestimmt ist der Arteon für gewaltige (leider auch aufpreispflichtige) 20-Zoll-Räder. Das unterstreicht den sportlichen Auftritt ebenso wie das selbst im Normal-Modus durchaus noch straff ausgelegte Fahrwerk. Das ist auch gut so, denn immerhin sind runde 1,8 Tonnen auf Kurs zu halten. Und wer wollte schon ein Flaggschiff, das dem Kapitän nicht strichgenau aufs Kommando folgt?

Und genau darum bieten die Wolfsburger bei diesem Thema auf was geht. In keinem anderen VW findet sich eine derartige Armada an Assistenz. Selbstverständlich hält der Arteon brav Abstand, Linie und bremst auch für Fußgänger. Vor allem aber leuchtet er in Kurven noch bevor man ins Volant greift – und verzögert schon mal, wenn voraus Kreuzung oder Kreisverkehr warten.

Das Geheimnis: Wolfsburgs Jüngster berücksichtigt mehr denn je Daten von GPS, Navigation und Verkehrszeichen-Erkennung. Das ist – wenn man derlei Hilfe schätzt – schon verdammt nah am Auto-Mobil. Und falls man zwar fahren wollte, womöglich aber nicht mehr kann, bremst der Arteon nicht nur bis zum Stillstand, er steuert dazu noch selbstständig Richtung rechte Spur. Kein Zweifel,
da schielt jemand Richtung Oberklasse.

Für den Maschinenraum hat man zum Marktstart am 16. Juni die Wahl zwischen drei Zwei-Liter-Vierzylindern: fremdgezündet mit 280 PS und kerzenlos mit 150 und 240 PS. DSG ist Serie, und die beiden Top-Aggregate treiben ab Werk beide Achsen. Ganz sicher nachreichen wird VW in Bälde je Verbrennungsart 190 PS sowie einen Einstiegs-Benziner mit 150 PS. Geraunt wird auch von Plug-In und Erdgas.

Die starken Motoren gehen souverän zu Werke und gewährleisten in nahezu jeder Situation volle Fahrt voraus. Der kleine Diesel ist dagegen eher was für den unteren Rand der Dienstwagen-Flotte. Apropos: Genau da, wo ansonsten gerne der Passat kreuzt, will VW einen Großteil der Produktion absetzen – weshalb der Arteon offiziell auch nicht Coupé heißen darf. Was sollte sonst der Fuhrpark-Leiter denken?

So fällt ihm womöglich ein, dass sich der Arteon in Sachen Technologie ganz Premium zeigt, zumindest nach oben hin aber – noch Sicherheitsabstand zu denen hält, in deren Flagge sich Weiß-Blau, Stern oder Ringe finden. Bei der Zahl der Zylinder und auch beim Preis.

Der aktuelle Einstieg beginnt bei 39 675 Euro für den 150-PS-Diesel. Der 280-PS-Benziner kostet ab 49 325 Euro, und für den Top-Diesel ruft VW mindestens 51 600 Euro auf. Platz nach oben ist noch reichlich. Es reicht also nicht, dass einem beim Anblick des Arteon das Herz aufgeht – der Geldbeutel muss es schon auch.

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