Eigener Inhalt Das Märchen von der Nachrüstung

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 Quelle: Unbekannt

Was waren sie alle aufgeschreckt im politischen Berlin. So kurz vor der Bundestagswahl - und plötzlich drohte Millionen Dieseln der Stopp an der Stadtgrenze. Die Folge: Für ein paar Tage entdeckten Sprecher aller Parteien aber so was von ihr Herz für die Autofahrer. Verbote, beteuerten sie im Gleichklang, wolle niemand. Ehrenwort. Und es werde sicherlich Möglichkeiten der Nachrüstung geben. Da werde man schon drauf dringen. So ein bisschen jedenfalls.

 
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Und dann? Plötzlich sind Stickoxid-Grenzwerte und Feinstaub-Alarm kein Thema mehr, die Gemütslagen der Autofahrer noch viel weniger. Aber die Wahl ist ja vorbei, der Bundestag hat sich konstituiert, und irgendwann wird wohl die Jamaika-Koalition offiziell ausgerufen. Diesel? Also bitte! War gestern. Nächstes Thema.

Das Problem ist, dass das Problem noch immer besteht. Nicht die Politik entscheidet nämlich über Fahrverbote in Innenstädten, sondern das Bundesverwaltungsgericht. Ausgang offen. Vor Gericht und auf hoher See, weiß der Volksmund, sind wir alle in Gottes Hand. Nicht ausgeschlossen also, dass Selbstzünder der Norm Euro 5 und älter demnächst doch mit einem höchstrichterlichen City-Bann belegt werden. Egal, was die Parteien in Berlin so alles wollen. Oder auch nicht.

Was wir fahren lassen können, ist die Hoffnung darauf, dass sich ältere Selbstzünder mit vertretbarem Aufwand zu modernen Aggregaten nachrüsten lassen. Vermittels SCR-Kat und so. Die Idee klang zwar zunächst ganz charmant, wer aber jemals versucht hat, in ein elektronisch gesteuertes Auto auch nur ein anderes Radio einzubauen, sollte den Gedanken ganz schnell wieder verwerfen.

Nun muss man mit den Autobauern ganz sicher kein Mitleid haben. Jahrelang haben sie uns Diesel-Modelle in die Schaufenster und Garagen gestellt, die alles Mögliche konnten – nur eben keine optimal gereinigten
Abgase ausstoßen. Volkswagen und seine Schwestern haben für die notwendigen Werte schlicht betrogen, andere zumindest dreist getrickst. Wahrlich also kein Grund, den Herstellern sofort zu glauben Nachrüstung sei schwierig.

Ist sie aber tatsächlich. Weil es eben schlicht nicht damit getan ist, einem, sagen wir, acht Jahre alten Diesel eine Reinigung per Harnstoff zu verpassen. Wo soll der passende Tank herkommen? Und, wichtiger noch: wohin? Kofferraum, Seitenwand, Reserveradwanne – sofern vorhanden? Wo sollen die Leitungen laufen, wo Ventile sitzen? Selbst wenn man den Platz fände oder das unverschämte Glück hätte, die Teile passgenau aus einem Nachfolge-Modell verbauen zu können – die größte Schwierigkeit wäre damit noch nicht gelöst: die komplette Motorsteuerung. Wer da mit Kosten von geschätzt 1500 Euro um sich wirft, hat schlicht keine Ahnung.

Klar: Technisch geht so ziemlich alles. Man kann auch von Diesel auf Benzin umrüsten, von Schaltgetriebe auf Automatik, sogar von Links- auf Rechtslenkung. Und es stimmt: Die Teile liegen im Regal. Aber der Ertrag lohnt den Aufwand nicht einmal annähernd. Für die Restauration eines Oldtimers mag derlei angehen – aber für ein Alltagsauto mit 150 000 Kilometern auf der Uhr ...

Zumal selbst ein technisch erfolgreicher Umbau das nächste Problem eröffnen würde: Mindestens wäre die Allgemeine Betriebserlaubnis erloschen und müsste neu beantragt werden. Viel wahrscheinlicher indes wäre eine völlig neue Typzulassung erforderlich. Das dauert, kostet Unsummen und macht für einen Gebrauchten tatsächlich wenig Sinn.

Vielleicht fällt ja den künftigen Koalitionären zu dem Thema etwas ein. Zumindest nach der Papierform sollen Verbraucherrechte und Umweltschutz schließlich durchaus stark vertreten sein. Womöglich aber
liegt die nächste Wahl einfach noch zu weit in der Zukunft.

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