Eigener Inhalt Corona-Urlaub: Die Wagen-Burg

Wolfgang Plank
dpa/ADAC Quelle: Unbekannt

So ist das bei jeder Krise: Sie kennt Verlierer zuhauf - aber eben stets auch ein paar Gewinner. Zu Letzteren darf sich in Corona-Zeiten zählen, wer irgendetwas mit Camping zu tun hat.

 
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Klar: Natur und frische Luft zogen schon immer, nun aber kommen als schlagende Argumente individuelle Anreise und räumliche Distanz dazu. Was könnte aktuell verlockender sein, als ausschließlich mit Personen des eigenen Haushalts zu verreisen – und unter sich zu bleiben?

Die logische Folge: Kaum haben die gut 3000 deutschen Zeltplätze nach dem Lockdown geöffnet, sind sie auch schon wieder dicht. Auf den Nord- und Ostseeinseln geht kaum noch was, auch im Schwarzwald und am Bodensee haben freie Parzellen Seltenheitswert. Manche Gemeinden weisen in ihrer Verzweiflung schon Behelfsflächen auf der grünen Wiese aus.

Vor allem die Wohnmobil-Branche erlebt einen Boom wie nie. Nach einem Corona-bedingten Kurz-Einbruch im April hat die Zahl der Neuzulassungen im Mai ein Allzeithoch erreicht: Exakt 10 674 rollende Camper wurden deutschlandweit neu registriert – ein Anstieg zum Vorjahresmonat um satte 30 Prozent. Dazu kamen noch 3399 Caravans. Im Juni waren es 9154 Wohnmobile und 3572 Anhänger. In den ersten sechs Monaten wurden damit allein schon so viele Freizeitfahrzeuge zugelassen wie im gesamten Jahr 2016. Da reiben sich sämtliche Hersteller die Hände.

Der Bestand an Wohnmobilen in Deutschland steigt damit seit 2009 ununterbrochen – 533 000 Exemplare im vergangenen Jahr bedeuteten erneut einen Rekord. Vor zehn Jahren allerdings war das Verhältnis zu den Caravans noch deutlich ausgeglichener. Von denen gibt es zwar aktuell rund 670 000, im Trend indes liegen eindeutig die selbst fahrenden Unterkünfte.

Was kein Wunder ist. Dicht an dicht mit schwer atmenden Maskenträgern im Flieger – allein die Vorstellung lässt viele schaudern. Die Alternativen, so vorhanden, sind kaum besser. Im Bus mangelt’s an Distanz, im Zug an Desinfektion – und im Hotel womöglich an beidem. An Kreuzfahrten will derzeit ohnehin kaum jemand ernsthaft denken.

Wie sicher ist da doch ein Wohnmobil. Einer Wagen-Burg gleich bietet es Schutz gegen all das Ungemach da draußen. Man ist unterwegs und doch abgeschirmt zu Hause. Kein zufälliger Kontakt, kein verseuchtes Aerosol, keine heimtückischen Tröpfchennieser – eine Fahrgast-Zelle im Wortsinn. Je nach Ausstattung sogar mit Küche und Dusche. Und wenn’s einem an Ort und Stelle nicht behagt, fährt man einfach weiter.

Das ist auch der Grund, warum die meisten Experten nicht bloß mit dem alljährlichen Ferien-Irrwitz rechnen, sondern sogar "eine Explosion des Auto-Tourismus" prophezeien. Der Urlaub mit dem eigenen Fahrzeug werde zur neuen Normalität, sagt etwa Freizeitforscher Horst Opaschowski. Hauptsache weg von zu Hause.

Vorhersagen des ADAC stützen die wissenschaftliche Prognose. Zwar würden viele dieses Jahr gar nicht verreisen, andererseits aber viele auf Deutschland-Urlaub setzen, die sonst anderswohin gefahren wären. Der Verkehr werde daher nicht traditionell gen Süden rollen, heißt es, sondern in alle Richtungen. Also gehören wieder fast alle zu den Verlierern.

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