Eigener Inhalt Brummi auf Draht

Wolfgang Plank

Damit Sattelzüge elektrisch fahren können, werden Strommasten an Autobahnen getestet.

 
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So langsam scheint den Regierenden in Berlin ein wenig mulmig zu werden. Schließlich hat sich Deutschland ausdrücklich zur emissionsfreien Mobilität bis 2050 bekannt. Steht so unter anderem im Klima-Abkommen von Paris. Dummerweise aber ist es mit einer Unterschrift nicht getan. Vom Versprechen der Kanzlerin, schon 2020 würden eine Million Elektroautos über die Straßen der Republik surren, ist offiziell schon längst keine Rede mehr – noch nicht einmal mit staatlichen Geldgeschenken kommen die Stromer recht ins Rollen.

Für die angestrebte CO2-Bilanz ist das verheerend. Obendrein muss irgendjemand irgendwann die Frage aufgeworfen haben, wie denn künftig all die Wagen unterwegs sein sollen, die rund um die Uhr schwere Lasten transportieren? Seit 1990 hat sich der Güterverkehr auf der Straße mehr als verdoppelt. Bis 2030 wird mit weiteren 40 Prozent Zunahme gerechnet.

Offenbar sollen Sattelzüge ebenfalls mit Strom fahren. Wenn auch nicht aus dem Akku, sondern der guten alten Oberleitung. So jedenfalls sieht es Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie will bis 2019 auf der A 5 zwischen dem Gewerbegebiet Darmstadt-Nord/Weiterstadt und dem Frankfurter Flughafen sowie auf der A 1 zwischen dem Logistikzentrum Reinfeld und dem Lübecker Hafen Strommasten aufstellen lassen. Auf sechs Kilometer sollen die Strecken in beide Richtungen verkabelt werden. Zuschuss vom Staat: fast 40 Millionen Euro.

Versuchsweise klappt die Idee bereits. Nördlich von Berlin, auf dem ehemaligen russischen Militärflughafen Groß Dölln, lässt Siemens seit geraumer Zeit drei Trucks der Marke Scania dahinsäuseln. Kleiner Unterschied zur Serie: Am üblichen Dieselmotor ist ein Elektromotor angeflanscht, auf der Zugmaschine finden sich Akkus. Und: Über dem Führerhaus ragen Stromabnehmer auf wie bei einer Straßenbahn. Sie halten bis Tempo 90 den Kontakt zum Fahrdraht mit etwa 600 Volt.

Die zusätzliche Technik wiegt an die zwei Tonnen. Für Spediteure kein echtes Problem. In der Regel stoßen sie beim Volumen an die Grenze, nur selten beim Gewicht. Eher ist es der Preis, der sie schaudern lässt. Noch kosten die Prototypen etwa das Dreifache eines handelsüblichen Lkw. Aus dem Umweltministerium heißt es, in Serienfertigung soll sich der Aufpreis, auf einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Prozentbereich belaufen. Im Gegenzug würde ein 40-Tonner laut Siemens auf 100 000 Kilometern rund 20 000 Euro an Spritkosten sparen.

Und dabei zählen nicht nur die direkten Fahrten am Draht. Über die Bord-Batterien kann der Laster bei einem Kilometer unter der Oberleitung Energie für drei weitere Kilometer abseits speichern. In Berlin wird daher schon fleißig gerechnet. Weil laut Umweltministerium die Warenströme hauptsächlich auf 3000 bis 4000 Kilometern des 12 000 Kilometer langen Autobahnnetzes fließen, könnte man mit etwa 1000 Kilometern Elektrifizierung einen Großteil dieses Verkehrs abdecken.

Das hat durchaus mit den Kosten zu tun. Zwei Millionen Euro werden je Kilometer verkabelter Autobahn veranschlagt – eine Million in jede Richtung. Doch erst bei eben diesen 1000 Kilometern halten Logistik-Experten die Grenze für erreicht, ab der Speditionen ein Interesse daran haben dürften, ihre Flotte auf teurere Elektro-Lkw umzurüsten.

Für den Fahrer – solange es ihn überhaupt noch gibt – bedeutet auf Draht zu sein keine große Umstellung. Laser-Scanner melden, sobald der Laster unter einer Oberleitung rollt. Dann drückt der Trucker einen Knopf, und der Abnehmer hebt sich an die in 5,50 Meter Höhe verlaufenden Oberleitungen. Beim Überholen fährt der Abnehmer automatisch herunter und nach dem Einscheren ebenso automatisch wieder hoch. Am Ende der Leitung springt ganz traditionell der Diesel an.

Eine erste reguläre Strecke könnte nach Einschätzung von Fachleuten in 10 bis 15 Jahren in Betrieb gehen. Bis dahin ließe sich zum Schutz des Klimas womöglich ein System hervorragend nutzen, das heute schon jede Menge Güter per Strom transportiert. Ganz ohne neue Masten. Die Technologie sollte in den Ministerien eigentlich bestens bekannt sein: Sie nennt sich Bahn.

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