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Wolfgang Plank

Der neue Porsche 911 ist breiter, stärker - und agil wie nie. Nur billig ist das Vergnügen immer noch nicht.

 
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Im Grunde ist alles wie gehabt: Motor hinten, Tank vorne, Zündschloss links. Und auch in achter Generation mit einer Silhouette, die jedes Kind erkennt. Wer wollte schon an einer Ikone basteln? Haben sie sich bei Porsche auch gedacht und sind behutsam zu Werke gegangen. Die Fronthaube des neuen 911er hat zwei Längssicken, die Lüftungsschlitze unter der Heckscheibe stehen jetzt senkrecht. Und wer mag, kann aus den beiden roten Streben der dritten Bremsleuchte eine 11 herauslesen.

Klar werden alle nölen, die neue Elfer grundsätzlich für zu groß, zu schwer und zu wenig puristisch halten – derweil sich diejenigen daran weiden, dass sie noch stärker geworden sind, noch behender und noch narrensicherer.

Frohe Kunde gibt es für alle Sechs-Süchtigen: Der Porsche schlechthin behält seine angestammten Töpfe. Denn seit im Boxster die ersten Motoren zweier Zylinder beraubt wurden, wähnten nicht Wenige das Abendland dem Untergang geweiht. Auf 450 PS haben sie in Zuffenhausen den Drei-Liter-Biturbo getrimmt – und selbstverständlich Euro 6d-Temp. "Grad mit Fleiß", wie sie im Schwabenland sagen, wenn sie "jetzt erst recht" meinen.

Schließlich sind Motoren wie dieser dank Brüsseler Beschlüsse ein vom Aussterben bedrohtes Aggregat. Und drum sitzen die Schaufelräder erstmals spiegelbildlich in der Luftröhre – der freieren Beatmung wegen. Die Ladeluftkühler wanderten zur besseren Anströmung zentral unter die Motorhaube, den Sauerstoff für die Verbrennung saugt Nummer 8 aus den Radkästen. Früher war die Anordnung umgekehrt.

Höchst vorsorglich indes gibt es im neuen Acht-Gang-Doppelkuppler ein wenig Leerraum. Für den Fall, dass eines Tages ein Hybrid-Modul Platz finden müsste. Wer weiß schon, bis Euro wieviel die Normierer noch gehen wollen. Vorerst aber sortiert der Automat einfach bloß schneller als der alte. Die beiden obersten Gänge dienen dabei nur mehr dem sparsamen Fortkommen, Tempo gemacht wird bis Stufe sechs.

Und wie: Von 0 auf 100 vergehen läppische 3,4 Sekunden – und gerade mal 12,1 bis 200. Mit imposanten Bremsen – gerne auch in Keramik – geht’s aber schnell wieder retour. Der Druck per extra steifem Pedal noch feiner dosierbar. Oberes Ende ist bei 308, und man muss schon mit der Gelassenheit eines kretischen Olivenbauern gesegnet sein, um nicht dem Tempo-Rausch zu verfallen. In 7:25 Minuten für die Nordschleife ist der Neue jedenfalls fünf Sekunden schneller als sein Vorgänger.

Womöglich lassen sich damit ein paar der ganz Grundsätzlichen versöhnen. Ganz sicher aber mit der Art, wie sich der Wagen bewegen lässt. Der 911er wankt nicht und schon gar nicht weicht er – er fährt exakt dahin, wo man will. Dafür sorgt eine vorbildlich präzise Lenkung, vor allem aber der Trick der "Mischbezollung". Achtern größere Raddurchmesser bändigen die mächtige Masse im Heck. Wer letzte Reserven in Sachen Agilität heben will – optional dreht die Hinterachse mit, und über Stellmotoren zwischen den Stabis stemmt sich der 911er der Seitenneigung einfach entgegen.

Und so schnürt Porsches Jüngster gierig um jede Biegung. Auf Wunsch sogar einstellbar. In Stellung "Sport" windet er sich förmlich hinein, und bei "Sport Plus" zählt nur mehr, was man gerne Performance nennt: kaum ESP, Fahrwerk samt Lenkung verhärtet, dezent druckvolles Heck. Untersteuern, nein danke. Und dann wäre da noch der "Sport Response Button": Auf Knopfdruck 20 Sekunden Porsche pur. Da können die Geraden zwischen den Kurven gar nicht kurz genug sein. Den Norm-Wert von 8,9 Litern auf 100 Kilometer muss man sich da allerdings nicht mehr merken.

Und ja, es gibt auch tüchtig was auf die Ohren. Mit Klappen-Steuerung im Abgasstrang und allem Drum und Dran. Was bei 7500 Umdrehungen die Endrohre verlässt, ist nicht mehr ganz das heisere Brüllen, aber immer noch volles Roooaaarrr. Selbstverständlich geht auch gelassenes Brabbeln. Mit dem erhabenen Gefühl, dass man schon deswegen langsam kann, weil man mit dem rechten Fuß nur ein ganz klein wenig zucken bräuchte.

So oder so sitzt man in passgenauem Gestühl, umgeben von feinem Holz, edlem Leder - und vor sich ein Cockpit, das mit seinen fünf Rundinstrumenten an selige Zeiten erinnert. Einzig der Gang-Wahlhebel ist ein bisschen sehr mickrig ausgefallen, und für ein Head-up-Display ist die Frontscheibe zu gewölbt. Was soll’s? Nur beim autonomen Fahren bremsen die Stuttgarter ein wenig. Im Porsche lenkt der Chef noch selbst. Geholfen aber wird gerne. Auf Wunsch hält der 911er Abstand, Tempo und Spur, bremst selbstverständlich auch für Fußgänger und späht wachsam in die Nacht.

Eine Hürde allerdings gibt es für das Vergnügen noch zu nehmen: Für den 911er ruft Porsche mindestens 120 125 Euro auf, das allrad-getriebene Modell Carrera 4S kostet knapp 8000 Euro mehr. Aber wenn man
damit den Sportwagen-Bau noch ein bisschen gegen Brüssel verteidigen kann, ist das Geld ja für einen guten Zweck…

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