Eigener Inhalt 911er L

Wolfgang Plank

Selbstverständlich darf man streiten, ob es Geländewagen mit 550 PS geben muss – und ausgerechnet Porsche so etwas bauen. Schließlich ist der Cayenne noch nicht einmal in der Zuffenhausener Fan-Gemeinde unumstritten. Allerdings bringt er der Marke seit 15 Jahren Geld und Renommee. Mehr als 770000 Käufer hat das Dickschiff in zwei Baureihen gefunden. Auch nicht wenig Käuferinnen …

 
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Und so scheint die Geschichte für das dritte Kapitel schnell erzählt. Knapp 140000 Euro Einstiegspreis für das vorläufige Top-Modell. Edel-Metall auf zehn Quadratmetern. Innen alles vom Feinsten. Ja und? Noch einer mehr im Segment der Großen, Hochbeinigen und schwer Erschwinglichen.

Nein, nicht ganz. In der aktuellen Generation haben sie sich bei Porsche ihrer Wurzeln erinnert und den Cayenne Richtung 911er getrimmt. Eine Wuchtbrumme, klar. Aber kantenlos, mit weichen Linien und einem Heck zum Niederknien. Wohl deshalb, weil das der häufigste Anblick sein dürfte.

Was auch sonst bei einem Vier-Liter-Biturbo – die Lader platzsparend im Innen-V des Achtzylinders. Die Zylinder sind für minimalste Reibung plasmabeschichtet, die Lagerdeckel der Kurbelwelle nicht nur viermal von unten verschraubt, sondern auch zweimal von der Seite. Schließlich landen da unten 770 Nm Drehmoment, wenn oben in den Brennkammern Sprit mit 250 bar in Sieben-Loch-Düsen flammgerecht zerstäubt wird.

In weniger als vier Sekunden liegt aus dem Stand Tempo 100 an und hinauf geht’s bis 286, während die Automatik kaum spürbar die acht Wandler-Stufen durchlädt. Die erste ist im Vergleich zum Vorgänger kürzer übersetzt, die letzte länger. Dadurch tritt der Cayenne stärker an und fährt oben hinaus sparsamer. Um wieder runterzukommen, muss man eine ordentliche Scheibe haben. In Zentimetern ausgedrückt: knapp 42. Auf Wunsch aus Keramik oder ab Werk mit ultrahartem Überzug aus Wolframcarbid. Die macht so wenig Bremsstaub, da darf der Zehn-Kolben-Sattel sogar blütenweiß lackiert sein.

Kein Wunder, dass bei so viel Technik der schönste Platz links vorne ist. In passgenauem Sitz, umgeben von feinem Holz und edlem Leder. Mittig im Blick den immer noch analogen Drehzahlmesser, flankiert von gestochen scharfen Displays und einem Touchscreen im Leinwand-Format. Opulenter Kommandostand für die Reise ins Niemandsland der Fahrphysik.

Dort nämlich glaubt man sich, wenn der Cayenne Turbo zeigen darf, was er kann. Weniger als einen Wimpernschlag braucht die Elektronik, um Allradantrieb, Sperren und Dämpfung auf das Optimum zu bringen. Und so lassen sich selbst gute zwei Tonnen bewegen, als seien Masse und Geschwindigkeit aus der Formel für Radialkraft irgendwie verschwunden. Dabei düst man vor jeder Menge Raum her: 745 Liter sind es bei voller Bestuhlung, umgeklappt finden 1680 Platz.

Man merkt es nur eben kaum. Vor allem nicht, wenn ein 3300 Euro teurer Clou verbaut ist: Über 48-Volt-Stellmotoren zwischen den Stabis stemmt sich der Cayenne in flotten Kurven der Seitenneigung einfach entgegen. Rechnergesteuert und im Bruchteil einer Sekunde. Und eher lässt der Grip an den Reifen nach, als dass das Chassis nennenswert aus dem Lot gerät. Letzte Reserven in Sachen Kurvenfreude lassen sich mit der gut 2000 Euro teuren Hinterachslenkung heben.

Damit der Tanz um die Hochachse auch aerodynamisch hinhaut, läuft das Dach in einen Spoiler aus, der bis Tempo 160 flachliegt, darüber – oder im Sport-Modus – um sechs bis zwölf Grad ausfährt. Es sei denn, das Panorama-Dach ist geöffnet. Dann winkelt sich das Blatt der störenden Strömungsgeräusche wegen auf 20 Grad. Wie Bremsklappen bei einem Flugzeug geht’s auch steil in den Wind. Bei einer Vollbremsung aus Top-Speed steht der Cayenne dann zwei Meter früher.

Auch für abseits des Asphalts ist der Cayenne Turbo gerüstet. Bei 24 Zentimetern Bodenfreiheit und 52 Zentimetern Wattiefe darf einem schon ziemlich viel Ungemach unter die luftgefederten 21-Zöller kommen. Den Normverbrauch von knapp unter zwölf Litern kann man übrigens nicht nur im Gelände vergessen. Ganz ohne Grund findet sich unter Sonderausstattungen schließlich nicht ein auf 90 Liter vergrößerter Tank.

Es geht aber auch gemäßigter – und preiswerter: Wenn der Cayenne ab 2. Dezember im Schaufenster steht, sind auch V-6-Benziner mit 340 PS (ab 75 000 Euro) und 440 PS (ab 92 000 Euro) im Angebot. Und beide sind wahrlich nicht langweilig. Später kommt was Sparsameres, dazu ein bärenstarker Plug-In-Hybrid, der dann wieder Turbo S heißen darf – und wohl auch wieder ein Diesel.

Ab Werk stets dabei: Ein schlaues Navi, das drei Kilometer nach vorn blickt und die optimale Fahrstrategie errechnet. Voraus-Auto zur Orientierung? Nicht nötig. Nur beim autonomen Fahren bremsen sie bei Porsche ein wenig. Geholfen wird gerne – aber auch im Cayenne lenkt der Chef noch weitestgehend selbst.

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