Eigener Inhalt Rezension: Marie Kondo "Magic Cleaning"

Susann Winkel

Ein Buch über das Saubermachen - mit durchaus wertvollen Tipps für einen neuen Anfang.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

In den USA gibt es seit zwei, drei Jahren ein Verb, das Sie garantiert nicht kennen aus dem Englisch-Unterricht: kondo. Die Amerikaner verwenden es, wenn sie aufräumen. Und zwar gründlich – bis sich die Müllsäcke mit Ausrangiertem stapeln.

Das Wort, das zum Verb wurde, ist der Nachname einer puppenhaft wirkenden Japanerin von Anfang dreißig. Zur Berühmtheit in ihrem Heimatland und in den USA wurde Marie Kondo wegen ihrer besonderen Methode, Ordnung zu schaffen. KonMari nennt sie diese Methode, die sich vor allem auf das Ausmisten und Entrümpeln konzentriert – und die funktioniert natürlich auch hierzulande. Angepackt wird der gesamte Hausstand bis zur letzten Kaffeetasse. Das dauert ein paar Wochen und wäre damit ein lohnendes Projekt für die am Mittwoch beginnende Fastenzeit.

So hat sich das wohl auch der Rowohlt Verlag gedacht und dieser Tage das dritte Buch von Marie Kondo auf den deutschen Markt gebracht. "Magic Cleaning. Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich werden" ist die auf 80 Seiten gestraffte Fassung ihres Erstlings. Für alle, die weniger lesen und möglichst schnell loslegen wollen. Und das wollen viele, jetzt, da das Jahr noch jung ist. "Fresh Start Effect" nennen Wissenschaftler dieses Phänomen, das noch deutlich vor dem klassischen Frühjahrsputz an der Reihe ist. Neues Jahr, neues Glück.

Wer es nun konsequent mit Marie Kondos Methode hält, dem dürfte der jährliche Neuversuch im Aufräumen erspart bleiben. Ein einziges Mal muss es nur richtig perfekt gelingen, sagt sie, dann ist der Kampf gegen das Zeug für immer gewonnen. Perfekt bedeutet – über den Daumen gepeilt –, dass von drei Dingen zwei die Wohnung oder das Haus verlassen werden. Im Müllsack. Klingt unglaublich, klappt aber. Und
tut obendrein noch richtig gut.

Das Geheimnis der Marie Kondo ist ein simples: Besitz muss glücklich machen. Was einen nicht glücklich macht – oder nicht mehr –, kommt fort. Weil dieses Kriterium weitgreifender ist als klassische Wegwerf-Kriterien (kaputt, zu klein, echt hässlich) und auch Gegenstände umfasst, die teuer waren, ein Geschenk oder eigentlich noch funktionieren, gelingt ein echter Befreiungsschlag. Der setzt aber voraus, dass sich der Ausmist-Willige wirklich mit all den vielen tausend Dingen in seinem Besitz befasst. Klingt an-
strengend, ist es auch ein wenig.

Für den Anfang empfiehlt die Aufräumberaterin die Kleidung. Dann Bücher, Papierkram, Kleinkram. Erinnerungsstücke hebt man sich besser für den Schluss des Prozesses auf, die sind ein schwierigerer Fall. Ganz wichtig: Aufgeräumt werden nicht Zimmer, Schränke oder Schubladen, sondern Kategorien. Klingt seltsam, ist aber strategisch die beste Herangehensweise für die Gesamtinventur. Bücher zum Beispiel stehen selten alle nur in dem einen dafür vorgesehen Regal im Wohnzimmer. Von diversem Krimskrams wie Kugelschreibern oder Fla-
schenöffnern ganz zu schweigen.

In Gänze zu sehen, wie viel man tatsächlich von einer Kategorie besitzt, kann ein heilsamer Schock sein, so Marie Kondo. Dafür werden jeweils alle entsprechenden Dinge zusammengeholt und auf dem Zimmerboden ausgebreitet. Dann wird jede Sache in die Hand genommen, kurz nachgespürt, ob man sie mag und deshalb weiter um sich haben möchte oder ob es an der Zeit für einen Abschied ist. Der erfolgt höflich bei einem Fehlkauf, herzlich beim alten Plüschbären, vor allem aber immer dankbar für die Dienste, die eine Sache geleistet hat.

Und dann: Fort mit dem Zeug!

Schon das ist magisch, wie es im Buchtitel heißt. Je mehr Dinge die Wohnung verlassen, desto mehr Ordnung kehrt ein und desto leichter lässt sich diese auch halten – putzen inklusive. Noch magischer aber ist das, was das Aufräumen mit dem Aufräumenden macht. Wer Tausende Male überlegt hat, ob ihn etwas glücklich macht, der erfährt auch einiges über sich selbst. Ob er ein früher gepflegtes Hobby vermisst. Ob ihn seine Arbeit noch Freude bereitet. Ob er unbedingt mal wieder ans Meer fahren möchte. Und er wird wählerischer, was er neu in sein Leben und in seine Wohnung lässt. Die soll ja schließlich nicht gleich wieder unordentlich werden.

Marie Kondo und ihre Bücher
Die Autorin arbeitet als selbstständige Beraterin für Aufräumen und Ordnung. Nach dem Studium begann sie, ihre KonMari-Methode zu entwickeln, aus der mehrere Weltbestseller hervorgingen, die in fast 40 Sprachen übersetzt wurden. In Japan ist Marie Kondo inzwischen ein Fernsehstar; in Amerika hat sie eine TV-Show. Das
Time Magazin zählte sie 2015 zu den 100 einflussreichsten Frauen weltweit. Sie lebt mit Mann und Tochter in Tokio. Wer sie einmal in Aktion erleben möchte, dem sei ein Blick auf YouTube empfohlen. Im Rowohlt Taschenbuch Verlag sind folgende Bücher von Marie Kondo erschienen:
– "Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert"
(erschienen im März 2013, 224 Seiten, 9,99 Euro)
– "Magic Cleaning 2. Wie Wohnung und Seele aufgeräumt bleiben"
(erschienen im Dezember 2014, 240 Seiten, 9,99 Euro)
– "Magic Cleaning. Wie Sie sich von Ballast befreien und glücklich werden" (erschienen im Februar 2017, 80 Seiten, 8 Euro)
Wer aufräumt, spart Geld
Vielleicht liegt ja in einer alten Handtasche noch Kleingeld. Oder Sie entdecken ganz unten im Zeitungsständer noch einen Gutschein. Oder Sie können etwas vom Überflüssigen Ihres Besitzes auf Online-Portalen verkaufen. Dann hat sich das Aufräumen sogar richtig bezahlt gemacht. Mit Aufräumen lässt sich aber auch Geld sparen, denn . . .
– Sie versäumen keine Fristen bei Rechnungen mehr, da Sie Ihren Papierkram im Blick haben. Mahngebühren gehören der Vergangenheit an.
– Sie brauchen erst einmal Ihre Vorräte an Nahrungsmitteln oder Kosmetika auf, bevor Sie Neues kaufen.
– Sie vermeiden Doppelkäufe, da Sie ja nun wissen, was Sie haben.
– Sie konsumieren bewusster und vermeiden auf diese Weise künftig Fehlkäufe.
– Sie benötigen weniger Stauraum für Ihre Sachen und daher auch weniger Boxen, Schränke und Quadratmeter.
So feiern Sie das Aufräum-Fest
Marie Kondo bezeichnet die Wochen und Monate des gründlichen, konzentrierten Entrümpelns als "Aufräum-Fest". Eine zeitlich begrenzte, eine Ausnahme-Zeit im Leben, die mit Hochstimmung begangen werden sollte. Klingt ein bisschen abgehoben, ist aber einen Versuch wert. Verstreut über ihre Bücher gibt sie folgende Tipps fürs Fest:
– Fangen Sie so zeitig wie möglich am Tag mit dem Ausmisten an. Ausgeschlafen und ohne Zeitdruck sortiert es sich am besten.
– Ziehen Sie sich etwas Hübsches an zum Ausmisten. Das hebt die Stimmung – es wird ja schließlich gefeiert.
– Misten Sie immer alleine aus. Das Auswählen und Aussortieren ist ein persönlicher Prozess mit den Dingen. Beobachtung oder Nachfragen stören da nur.
– Hören Sie keine Musik und lassen Sie den Fernseher aus. Auch das lenkt beim Ausmisten ab.
– Gehen Sie schnell vor und sortieren Sie eine Kategorie in einem Rutsch komplett durch.
– Solange Sie aussortieren, verschwenden Sie keinen Gedanken daran, wie Sie den Behalten-Stapel künftig unterbringen.
– Aufräumen und Putzen sind zwei verschiedene Aufgaben und werden nacheinander ausgeführt. Das Großreinemachen können Sie sich für später aufheben.
Origami im Kleiderschrank
Am Ende der Lektüre weiß der Leser: Hochstapeln ist gefährlich. Bei Zeitschriften, bei Dokumenten und überhaupt. Die Stapel werden immer höher, was unten liegt, wird bald vergessen. Darum rät Marie Kondo dringend zur aufrechten Lagerung von Gegenständen. Das verschafft Übersicht, erlaubt einen leichten Zugriff und bremst die Sammelei. Bei Büchern gelingt diese Empfehlung leicht, Stifte lassen sich in ein Glas füllen – aber was ist mit Kleidung? Die wird gefaltet!
Und zwar immer so, dass am Ende ein in sich stabiles, selbst stehendes rechteckiges Päckchen herauskommt. Fast dreißig Seiten lang erklärt Marie Kondo in ihrem zweiten Buch das exakte Zusammenlegen. Japaner scheinen sich mit dieser Technik leichter zu tun als Europäer oder Amerikaner – kein Wunder, Origami, die hohe Kunst des Faltens, lernt dort jedes Kind.
Ein Zuhause für Ihre Sachen
Radikales Ausmisten ist der erste Schritt zur Ordnung. Der zweite lautet: Alles, was Sie behalten, braucht einen festen Platz in Ihrer Wohnung. An diesen wird der Gegenstand immer wieder nach dem Gebrauch zurückgelegt. Das gilt selbst für die Geldbörse, die meist in irgendeiner Tasche liegt. Dinge einer Kategorie werden an einer Stelle im Haushalt verstaut. Fächer und Schubladen sollten gut gefüllt, ihr Inhalt aber nicht gedrängt sein. Bleibt viel Stauraum nach dem Aufräumen leer, kann die Zahl der Schränke oder Regale reduziert werden. Zusätzliche Stauraumlösungen zu den Möbeln wie Boxen oder Kisten sollten die Wohnung ebenfalls alsbald verlassen. Dachboden und Keller sind keine Ausweich-Standorte für Dinge, bei denen Sie sich nicht entscheiden mögen, ob Sie diese behalten möchten.
Das braucht kein Mensch
Auch wenn Ihnen die Methode von Marie Kondo zu radikal ist, lohnt sich dennoch eine Inventur Ihrer Wohnung. Bestimmte Dinge finden sich in fast jedem Haushalt im Übermaß. Ein Ausmisten lohnt sich zum Beispiel bei . . .
– der Bettwäsche. Eine Garnitur pro Person ist aufgezogen, die andere wird gewaschen oder liegt bereit. Das genügt.
– den Handtüchern. Hier gilt dasselbe wie bei der Bettwäsche. Zwei Sets pro Bewohner reichen zu Hause völlig aus.
– den Stofftaschen. Sie sind praktisch, sie schonen die Umwelt und viele Unternehmen verschenken sie gern mit Werbeaufdruck. Behalten Sie nur die schönsten.
– den Stiften. Auch sie sind beliebte Werbegeschenke und längst nicht jeder liegt gut in der Hand.
– Produktproben. Kleinste Abpackungen bei Kosmetika oder Reinigungsmitteln füllen oft unbenutzt die Badschränke. Weg damit.


Fotos: privat, Rowohlt Verlag, AdobeStock, Quelle: Marie Kondo " Magic Cleaning 2 ", Quelle: Marie Kondo " Magic Cleaning 2 "

Bilder