Eigener Inhalt Auf allen Kanälen: "Nur schöne Bilder machen kann fast jeder"

Julia Müller aus Ilmenau schreibt über das, was ihr am Herzen liegt: Mode. Und das tut sie im Internet. Seit etwa einem Jahr lebt sie von ihrer Leidenschaft. Ein 24/7-Job.

 
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In der Realität sieht das Zimmer noch viel schöner aus als auf den Fotos und Videos von Instagram, Facebook, YouTube und dem Blog. Meterbreite hohe, weiße Schränke, offen und teilweise mit blitzblanken Glasfächern ausgestattet. Außerdem ein separater Kleiderständer, auf dem sich Fake-Felljacken an Kunst-Pelz- und Lederjacken reihen. Links an der Wand ein beleuchteter Schminktisch, daneben ein riesiger Spiegel. In der Mitte des großzügigen Raumes im Altbau ist ein gemütlicher Sitzhocker mit Schaffell platziert, dahinter steht eine Kleiderpuppe mit Bauchtasche quer über den Oberkörper drapiert.

Hier lagern sie – Juliane Müllers Schätze. Kleidung, Schuhe, Handtaschen, Schmuck – alles fein säuberlich auf Bügeln und in Fächern aufbewahrt, besser präsentiert als in manchem Modegeschäft. Mode ist aber nicht nur die Leidenschaft der 32-Jährigen aus Ilmenau, sie sichert auch ihren Lebensunterhalt. Denn Juliane, kurz Julie genannt, ist Modebloggerin.

Abitur, Lehre und dann Studium der Bibliothekswissenschaften in Leipzig: Der Ausbildungsweg war ein klassischer. Dann kam der Blog. "Ich habe mich schon immer für Mode interessiert, habe viele Blogs gelesen. Und vor vier Jahren habe ich angefangen, einen eigenen Blog zu schreiben", sagt Julie. Nach dem Master-Abschluss habe sie sich gefragt: "All in" mit dem Bloggen oder doch einen normalen Job suchen? Die Antwort war schnell gefunden. Monochrome Outfits, Kuschelpullover im Herbst, Sommerkleider, wintertauglich gestylt oder auch Fake-Fell-Trendkleidung bestimmen nun ihren Alltag und den Blog.

Das Konzept für diesen sei von Anfang an sehr konkret gewesen – einfach nur ins Blaue habe sie nicht schreiben oder knipsen wollen; Inhalt und Hintergrundwissen sollen ihre Beiträge zu aktuellen Trends auch vermitteln. Juliane Müller will schließlich nicht zu jenen zählen, die einfach wahllos Bilder und Texte hochladen, auf viele Likes hoffen, Geschenkchen von Firmen bekommen, diese bewerben und sich dann Influencer nennen.

"Nur schöne Bilder machen kann fast jeder", sagt sie. Und das Wort Influencer gefällt ihr so und so nicht. So jemand will sie nicht sein. "Das Wort ist negativ behaftet. Für die Meisten meint es, man hält Dinge in die Kamera und wird dafür bezahlt. Egal, ob man hinter dem Produkt steht oder nicht", sagt die 32-Jährige mit gerunzelter Stirn.

Sie dreht eine Strähne ihrer schwarzen Haare zwischen den Fingern und fährt fort: "Dann sieht man auch eine Zeit lang alle mit ein und derselben Uhr, mit den gleichen Handyhüllen, zu Halloween alle vor der gerade hippen Kürbisdeko … Von solchen Bildern ploppen jeden Tag hundert neue auf. Das bin ich nicht!", sagt sie.

Rein per Definition gilt die 32-Jährige freilich als Influencerin. Also als jemand, der andere auf verschiedenen Kanälen im Netz im (Kauf-)Verhalten beeinflusst: Mehr als 30 000 Follower auf Instagram, fast 1800 Posts auf dieser Plattform; knapp 5000 Follower bei Facebook; bald 1800 Abonnenten für den YouTube-Kanal, 467 Beiträge mit fast 5000 Kommentaren auf ihrem Blog, der monatlich 25 000 Visits zählt und, und, und – Julie und ihre Modetipps sind auf allen Kanälen präsent.

"Geht auch gar nicht anders", sagt sie selber. Schließlich fänden sonst lange nicht so viele potenzielle Leser ihren Blog. Und dort verdient sie schließlich ihr Geld – mit sogenannten Advertorials, also Werbebeiträgen, und mit gezielten Produktplatzierungen, mit Verlinkungen zu Shops, die Provision zahlen, wenn jemand wegen Julie die Hose oder den Pulli kauft ... Seit etwa einem Jahr reicht es für den Lebensunterhalt.

"Einfach mal ein Foto irgendwo hochladen und hoffen, jeder findet es gut, funktioniert nicht", so Julie. Sie weiß am besten, wie hart der Job wirklich ist. An ihrem dunklen Tisch in der weißen, neuen Küche sitzend, sagt sie: "Normalerweise arbeite ich ständig. Schon morgens, wenn ich hier meinen ersten Kaffee trinke. Ich checke Kommentare, kommentiere, like, antworte auf Nachrichten." So behält man seine Follower und macht neue auf sich aufmerksam. Denn wer nicht regelmäßig etwas hoch lädt und aktiv ist, wird schnell langweilig. Für seine "Fans" und damit auch potenzielle Werbekunden.

So richtig verstehen könne Julies Umfeld oft nicht, was sie da eigentlich tut. Dass es wirklich viel Arbeit bedeutet, ständig Texte, Bilder und Videos rund um ihre Outfits ins World Wide Web zu schicken. Dass sie damit deutlich länger als acht Stunden am Tag beschäftigt ist; dass sie auch an den Wochenenden arbeiten muss; für den Urlaub viel vorzubereiten hat, um auch während dieser Zeit Bilder und Videos posten zu können. Und dass sie auch wenn sie frei hat nicht wirklich abschalten kann, sich ihre Gedanken stets um die nächsten möglichen Themen auf dem Blog drehen. Um die Outfits und Produkte, die sie zeigen wird. Mit denen sie ihr Geld verdient.

Es sind keine Unsummen wie bei den Großen unter den Internetstars, "Bibi" oder "Leonie Hanne" von Ohh Couture, die für einen Werbedeal bis zu fünfstellige Summen bekommen sollen. Reden will übers Einkommen natürlich niemand. Auch Julie nicht. Doch schlecht zu laufen scheint es nicht: Schließlich will sie weitermachen, solange sie und das, was sie tut, gefragt ist. Und so lange es für sie neben jeder Menge Arbeit auch noch Spaß bedeutet.

Ihr Freund, gleichzeitig ihr Fotograf, unterstütze sie dabei großartig und sei verständnisvoll. Schließlich sei es nicht selbstverständlich, dass man beim Frühstück am Wochenende nur über die Arbeit rede oder sonntags stundenlang für Outfit-Shootings unterwegs ist. So wie auch an diesem Wochenende wieder. Für den nächsten Beitrag auf dem Blog.

Julies (nahezu) tägliche To-do-Liste

? mit Followern bei Instagram, Facebook und Co. kommunizieren

? Kunden-Akquise

? Anfragen potenzieller Werbepartner beantworten

? Trends checken und passende Themen für den Blog recherchieren

? Texte schreiben und sie für Google optimiert mit Schlagwörtern versehen

? passende Bilder aus meist wochenendlichen Shootings dazu heraussuchen

? diese einheitlich bearbeiten

? Links zu Werbepartnern setzen

? Outfits für Beiträge "zwischendrin" zusammenstellen

? Fotos dafür schießen, bearbeiten und hochladen

? kurze Videos für Instagram, YouTube und Co. drehen

? regelmäßig neue Kleidung für Rezensionen bestellen

? zurückschicken, was nicht gefällt

? Kleidung probieren, Video dazu drehen, auf verschiedenen Kanälen posten

? Rechnungen bezahlen

? Rechnungen an Kunden schreiben

? . . .

Julie im Netz:

juliesdresscode.de www.facebook.com

twitter.com www.instagram.com

Blogs und Blogger

? Ein Blog ist eine Website, auf der mindestens eine Person, der Blogger, regelmäßig über bestimmte Themen schreibt. Aspekte des eigenen Lebens und der eigenen Meinung zu bestimmten Themen werden dargestellt.

? Beliebte Kategorien für Blogs sind Mode, Reise, Ernährung, Sport, Einrichtung, Hobby, Film und Buch sowie Politik

? Als offiziell erster Blog gilt die Website von Softwareentwickler Tim Berners-Lee, die 1990 online ging. Auf ihr tauschten Wissenschaftler vom europäischen Kernforschungszentrum bei Genf Informationen aus.

? 2004 wählte der US-Wörterbuchverlag Merriam-Webster "Blog" zum Wort des Jahres.

? Deutschland hat eine riesige Bloggerszene. Wegen der weit gefassten Definition schwanken die Zahlen jedoch. Geschätzt werden mindestens 200 000 aktiv geführte Blogs; Wikipedia spricht zuletzt von rund 300 000 aktiven Bloggern in Deutschland. Nicht einmal jeder Fünfte verdient Geld damit.

Wie lässt sich mit Blogs Geld verdienen?

? Gesponserter Beitrag: Ein Unternehmen zahlt für einen Beitrag mit bestimmtem Inhalt, den der Blogger entweder selber verfasst oder für den er den PR-Text des Unternehmens verwendet.

? Verlinkung: Das Verlinken zu einer anderen Website bringt Geld.

? Produkttests: Ein Artikel wird getestet und auf dem Blog vorgestellt. Dafür darf
der Blogger den Artikel behalten. Blog-Profis verlangen meist jedoch Geld für Tests.

? Affiliate Marketing: Klickt der Blognutzer einen weiterleitenden Link zu
einem Shop und kauft dort etwas, gibt es für jeden Kauf eine kleine Provision für
den Blogger.

? Banner mit Werbung: Auf dem Blog erscheinen Werbebanner. Bei einer gewissen Anzahl an Seiten-Klicks gibt es vom Werbetreibenden Geld. In der Regel eins bis drei Euro pro 1000 Sichtungen.

? Pay-per-Click: Klickt der Leser eines Blogs auf eine der dort geschalteten Anzeigen, gibt es Geld. In der Regel jedoch nur wenige Cent pro Klick.

? Bücher und Kurse: Manche Blogger machen ihr Expertenwissen zu Geld: Sie verkaufen Bücher oder bieten themenspezifische Kurse an.

Blogger und Influencer

? Influencer sind Personen, die wegen ihrer starken Präsenz in einem oder mehreren sozialen Netzwerken für Werbekunden attraktiv sind. So zählen auch viele Blogger
zu den Influencern.

? Man unterscheidet zwischen Medi-Influencern (unter 100 000 Follower),
Mikro-Influencern (bis 10 000 Follower) und natürlich den "Big Playern".

? Zu Deutschlands erfolgreichsten Influencern zählen Bianca Heinicke
(bibisbeautypalace, mehr als 6 Million Follower) oder Lisa und Lena (lisaandlena,
über 13 Million Follower).

? Je nach Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad werden sie für Werbebeiträge oder Produktplatzierung unterschiedlich hoch entlohnt.

Kritik an Influencern

Mitglieder der Influencer-Szene werfen sich häufig gegenseitig vor, sich die Beliebtheit bei Werbetreibenden zu erkaufen. Möglich ist dies auch heute noch per Apps, die für wenige Cent Likes für Bilder oder Follower bieten. Zudem wird häufig angezweifelt, ob Influencer auch wirklich hinter den Produkten stehen, die sie präsentieren.

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