Eigener Inhalt Nur die Harten…

Wolfgang Plank

… kommen in den Biergarten. Deshalb gehört vor den kühlen Schluck stilecht eine Wanderung oder Radtour

 
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Vielleicht sollten wir unser nächstes Bierchen einfach mal auf das Wohl zweier Herren trinken. Auch wenn die schon des Längeren nicht mehr unter uns weilen – verdient haben sie es allemal. Und keineswegs nur des gemeinsamen Vornamens wegen. Ein tiefer Zug in stillem Gedenken also für Carl von Linde und Carl Anton Maria Dreher. Ersterem verdanken wir die Kältemaschine, dem anderen den ersten Einsatz in einer Bierfabrik. 1877 war das.

Erst seit 140 Jahren also ist Brauen ein ganzjähriges Handwerk. Vorher war es im Sommer schlicht nicht kalt genug, und so verbot schon die bayerische Brauordnung von 1539, dass zwischen St. Georg am 23. April und St. Michael am 29. September Bier hergestellt wurde. Zwei Heilige steckten also damals die kalendarischen Grenzen ab, und seit zwei Wochen wär’s dereinst schon wieder vorbei gewesen mit frischem Gerstensaft.

Allerdings stammt aus Vor-Kühlschrank-Zeiten auch eine besondere Tradition. Um nämlich bis zum Herbst nicht gänzlich ohne Flüssigbrot auskommen zu müssen, wurde zum Ende der Saison ein besonders haltbares Bier gebraut. Stärker gehopft und mit mehr Alkohol als üblich. Um den Sommer zu überdauern, lagerte und reifte das untergärige "Märzen" in tiefen, kühlen Kellern im Eichenfass. Bedeckt von großen Blöcken aus Natureis, die im Winter aus Flüssen und Teichen gesägt worden waren.

Zum Schutz gegen die Sonne streuten die Bierbunker-Bauer hellen Kies auf den Boden und pflanzten Kastanienbäume, die dank ihrer großen Blätter reichlich Schatten spendeten, mit ihren flachen Wurzeln aber keine Gefahr für die Kellerdecke darstellten. Um 1812 kamen findige Münchner Gastwirte darauf, dass sich Gerstensaft entlang der Isar nicht nur prima lagern, sondern auch hervorragend verkaufen ließe. Die Geschäftsidee: Schattiger Sitzplatz und kühles Helles als Krönung des sonntäglichen Ausflugs – der Biergarten war geboren. In der Fränkischen Schweiz, übrigens, geht man noch heute "auf den Keller", wenn man zu einer der vielen kleinen Brauereien pilgert, um im dortigen Garten zu sitzen.

Weil es nun aber ja die ganzjährige Gärung und den Eisschrank gibt, ist das mit Kies, Keller und Kastanien kein Muss mehr. Und darum finden sich Biergärten längst auch weitab von Isar und München und Fränkischer Schweiz – auf Pflaster und unter Sonnenschirmen. Das ist zwar nicht ganz stilecht, aber ab und an trotzdem einen Besuch wert.

Am besten lässt sich der gepflegte Trunk im Freien mit einem zünftigen Ausflug kombinieren. Als kleine bis mittelgroße Rucksack-Tour zum Beispiel – oder gemütlich dahin rollend auf dem Fahrrad. Hauptsache, ein bisschen Bewegung. Dann kann man erstens stolz erzählen, dass nur die Harten in den (Bier)Garten kommen – und muss obendrein kein schlechtes Gewissen haben, wenn’s zum kühlen Schluck auch eine ordentliche Brotzeit gibt. Obatzdn, Rettich, Pressack, Kartoffelsalat oder was man eben so schätzt als Biergarten-Menü. Das man sich in München – und ausschließlich dort! – auch gern von daheim mitbringen darf.

Wenn da nicht auch noch der Heimweg wäre. Sich nach Radler, Brezn, Wurstsalat und vor allem einem schattigen Sitzplatz noch einmal aufzumachen, ist meist die größte Herausforderung. Findige verlegen den kulinarischen Abstecher daher eher ans Ende der Tour. Wahlweise ordert man für den anschließenden Rückzug den heimischen Abschleppdienst mit hoffentlich großem Kombi.

Der große Vorteil: Weil es ja vollkommen genügt, wenn Chauffeur oder Chauffeuse nüchtern sind, könnte man auf die beiden Carls locker noch ein zweites Bierchen heben …


Foto: AdobeStock

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