Zweiter Anlauf Bundestag beschließt bundesweite Corona-Notbremse

Symbolfoto: dpa Foto: red

Schließung von Schulen und Geschäften, Ausgangsbeschränkungen in der Nacht: Der Bundestag hat die Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Die Abgeordneten von Union und SPD stimmten am Mittwoch in zweiter Lesung dem Entwurf für eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu.

 
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Berlin - Der Bundestag hat am Mittwoch eine bundeseinheitliche Notbremse gegen die dritte Corona-Welle beschlossen. Mit der entsprechenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes rücken Ausgangsbeschränkungen ab 22 Uhr und weitere Schritte zur Vermeidung von Kontakten näher. In namentlicher Abstimmung votierten 342 Abgeordnete für das Gesetz. Es gab 250 Nein-Stimmen und 64 Enthaltungen. Zuvor hatten in zweiter Lesung die Fraktionen von Union und SPD dafür gestimmt. AfD, FDP und Linke stimmten gegen das Gesetz. Die Grünen hatten sich enthalten.

Während die Opposition unter anderem erhebliche Grundrechtseinschränkungen kritisierte, verteidigten Koalitionspolitiker die Neufassung der Regelungen. "Das, was wir jetzt brauchen, ist Klarheit und Konsequenz", mahnte etwa Vizekanzler und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), "überall in Deutschland, immer und in jedem Fall." Sollte die Sieben-Tage-Inzidenz in den jeweiligen Kreisen oder Städten über 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner steigen, muss die geplante Notbremse bundesweit verpflichtend angewandt werden.

"Ich glaube, mit diesem Gesetz werden wir eine neue Unterstützung bekommen", sagte Scholz vor der Abstimmung im Bundestag. Er erinnerte daran, dass Kinder es verdient hätten, durch späte Schulschließungen eine Chance auf eine Zukunft zu bekommen. Ebenso sollten Unternehmen, Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte die Botschaft vermittelt werden, dass die Regierung einen festen Kurs raus aus der Pandemie habe. "Wir müssen auch die Hoffnung in den Blick nehmen, die mit dem Impfen verbunden ist", sagte Scholz. Es gelte in der Gesetzesänderung auch, immer sehr sorgfältig abzuwägen. Etwa müsse überlegt werden, was mit Geimpften, Genesenen und mit denen, die Negativtests haben, geschieht.

"Wir sind in einer Situation, wo zu viele Menschen krank sind und zu viele sterben", sagte CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus. Der Deutsche Bundestag sei nun gefragt: "Wir müssen hier und heute handeln." Mit dem Koalitionspartner habe die Union die Neuregelung geändert, um Brücken zu bauen. "Dieses Gesetz ist von hohem Respekt vor Föderalismus geprägt", sagte er weiter. Als Beispiel nannte er die Sieben-Tage-Inzidenz von 100 als Grenzwert, "weil wir vertrauen, dass die Länder das unter 100 hinkriegen". Es habe nie so viel Demokratie in der Pandemiebekämpfung gegeben wie jetzt.

FDP will Verfassungsbeschwerde einlegen

Die Linksfraktion lehnt die Änderungen unter anderem mit dem Verweis auf Grundrechtseinschränkungen ab. "Ja, es geht um Leben und Tod. Das Pandemiegeschehen, das muss dringend eingedämmt werden", sagte die Vorsitzende der Fraktion, Amira Mohamed Ali. "Aber was macht die Bundesregierung? Sie taumelt von einem Murks in den nächsten." Die Nachbesserungen der Koalitionsfraktionen lösten die großen Probleme immer noch nicht. "Und das ist unverantwortlich", kritisierte Mohamed Ali. Die Regierung versuche, Grundrechte "praktisch im Vorbeigehen" einzuschränken und ihre Befugnisse massiv auszuweiten. "Die Linke wird das niemals akzeptieren. Wir lehnen Ihr Gesetz weiterhin ab."

Die FDP will gegen die geplanten Ausgangsbeschränkungen Verfassungsbeschwerde einlegen. "Die vorgesehenen Ausgangssperren sind keine geeigneten Maßnahmen", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus. "Sie schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich." Die Alternativen zur geplanten Bundesnotbremse seien gesteigertes Impfen und Testen sowie eine bessere Aufklärung über Kontaktvermeidung. Die FDP will den Gesetzentwurf ablehnen und legte mehrere Änderungsanträge vor. Wenn es bei der von der Koalition geplanten Kontaktbeschränkung bleibe, werde die FDP dagegen Verfassungsbeschwerde einlegen.

Neuregelung könnte kommende Woche in Kraft treten

Zuletzt hatten sich SPD und Union darauf verständigt, die geplanten Ausgangsbeschränkungen etwas zu entschärfen. Demnach sollen diese ab 22 Uhr gelten. Außerdem sollen Joggen und Spaziergänge bis Mitternacht erlaubt sein. Im Einzelhandel soll das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) auch bei hohen Infektionszahlen weiterhin möglich sein. Für Schulen ist Distanzunterricht ab einem Inzidenzwert von 165 verpflichtend. Im ursprünglichen Entwurf war hier ein Schwellenwert von 200 genannt worden.

Nach dem aktualisierten Gesetzentwurf soll für Kinder bis 14 Jahre Sport in Gruppen weiter möglich sein. Arbeitgeber müssen zwei Corona-Tests pro Woche bereitstellen. Neu ist zudem, dass die Bundesregierung keine Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie am Bundestag vorbei erlassen kann.

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