Gefährliche Süße: Lebensmittel und Getränke mit viel Fruchtzucker begünstigen nicht nur Übergewicht. Sie können auch das Krebswachstum fördern, wie Forscher jetzt herausgefunden haben.
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Das Problem ist nur: Zucker ist sehr beliebt, schmeckt (fast) allen und steckt in vielen Lebensmitteln in rauen Mengen drin. Egal ob in Softdrinks, Fruchtsäften, Fast Food oder Süßigkeiten – fast keine echt oder vermeintlich gesunde Nahrung kommt ohne das süß schmeckende, kristalline Lebensmittel aus.
In vielen industriell hergestellten Produkten steckt zugesetzter Zucker. Getränke und verarbeitete Lebensmittel in unseren Supermärkten enthalten als Süßungsmittel zunehmend Fructose statt Glucose.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, nicht mehr als 50 Gramm Zucker pro Tag zu verzehren. Zwischen dieser Obergrenze und der Realität liegen Welten: Jeder Bundesbürger isst jeden Tag etwa 93 Gramm Zucker. Pro Jahr sind das fast 34 Kilogramm.
Zucker und Krebs stehen in enger Verbindung. Krebszellen lieben Zucker – ganz gleich welchen. Sie nehmen Glucose und fast noch lieber Fructose. Studien haben gezeigt, dass Zucker als Entzündungsinitiator maßgeblich an der Entstehung von Krebs beteiligt ist.
Steigt außerdem der Insulinspiegel, dann fühlen sich Krebszellen besonders wohl. Aus ruhenden Krebszellen können sich aktive Krebszellen entwickeln. Ist der Krebs erst einmal da, kann Zucker – selbst wenn er in geringen Mengen konsumiert wird – die Gefahr der Metastasenbildung steigern.
Bislang gibt es der Deutschen Krebshilfe zufolge zwar keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass ein hoher Zuckerkonsum das Krebsrisiko steigert. Aber wer viel Zucker isst, wird eher übergewichtig – und Übergewicht erhöht das Risiko für 13 verschiedene Krebsarten.
Lange Zeit galt Fruchtzucker als gesünder. Die Lebensmittelindustrie hat in den vergangenen Jahrzehnten deshalb immer öfter Fructose eingesetzt, meist in Form von Maissirup. Infolgedessen konsumieren wir heute etwa 15-Mal mehr von diesem Zucker als noch in den 1960er Jahren.
Zeitgleich stieg bei Menschen unter 50 Jahren die Zahl der Krebserkrankungen mit verschiedensten Krebsarten. Zwar gibt es zahlreiche genetische und Umwelt-Einflüsse, die Krebs entstehen lassen, die Ernährung gilt darunter aber als ein wesentlicher Faktor.
Krebszellen nutzen wie alle unsere Körperzellen Glucose als Energiequelle. Fructose können hingegen nur die Zellen im Dünndarm und in der Leber verwerten. Aber ernähren sich auch Krebszellen und Tumore von Fructose?
Das hat nun ein Forscherteam um Ronald Fowle-Grider von der Washington University in St. Louis in den USA genauer untersucht. Dafür fütterten die Mediziner krebskranke Zebrafische und Mäuse über mehrere Wochen hinweg entweder mit einer normalen oder mit einer fructosereichen Nahrung und verglichen, wie schnell ihre Tumore wuchsen.
Die Studie ist im Fachmagazin „Nature“ erschienen.
Die Experten fanden heraus, dass sich die Krebstumore deutlich schneller vergrößerten, wenn dem Futter der Tiere Fructose zugesetzt wurde. Alle drei untersuchten Tumorarten – Melanome, Brustkrebs und Gebärmutterhalskrebs – reagierten stark auf die zuckerhaltige Ernährung der Tiere.
„Wir haben uns zahlreiche verschiedene Krebsarten in verschiedenen Geweben im ganzen Körper angesehen und sie folgten alle dem gleichen Mechanismus. In einigen Fällen beschleunigte sich die Wachstumsrate der Tumoren um das Doppelte oder sogar um mehr“, berichtet Seniorautor Gary Patti von der Washington University.
Die Mediziner vermuten, dass die Krebszellen von Stoffwechselprodukten des Fruchtzuckers profitieren. Dies geschieht etwa bei der Verarbeitung von Fructose in der Leber. Das Organ verstoffwechselt mithilfe von zwei Enzymen – Ketohexokinase (KHK) und Aldolase B – Fructose zu Lipiden und gibt diese in das Blut ab.
Die in der Leber erzeugten Fette nutzen die Krebstumore offenbar als Baumaterial. Zwar könnten sich Krebszellen die Bausteine für ihr Wachstum etwa aus dem Blut holen, doch ist die Verwertung von Lipiden der für sie einfachere Weg.
Besonders leicht geht das offenbar bei den ungesättigten Fettsäuren, weil diese im Gegensatz zu anderen Lipiden gut löslich und leicht zu transportieren sind.
Was bringt diese Erkenntnis nun? Dass die Leber Fructose in Nährstoffe für Krebszellen umwandelt, könnte für die Therapie vieler Krebsarten wichtig sein, resümieren die Forscher. Eine fructosearme Diät könnte die Tumore „aushungern“. „Wenn Sie das Pech haben, Krebs zu haben, sollten Sie wahrscheinlich darüber nachdenken, Fructose zu vermeiden“, betont Patti. Ob das tatsächlich funktioniert, soll nun in eine klinische Studie zeigen.
In weiteren Studien soll nun geklärt werden, ob spezielle Medikamente verhindern können, dass Tumore die Lipide erhalten. Dabei könnten die Präparate statt auf die Krebszellen auch auf Leberzellen abzielen,. So könnte möglicherweise der Stoffwechsel gesunder Zellen gezielt zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden.