Zeitzeuge Friedensfahrer Mario Kummer: „Uns ging es damals um das Rennen“

Mario Kummer aus Breitenbach nahm im Mai 1986, kurz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, erstmals an der Friedensfahrt teil. Foto: privat

Kurz nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl startete am 6. Mai 1986 in Kiew die 39. Internationale Friedensfahrt. Der aus Breitenbach bei Suhl stammende Radsportler Mario Kummer war dabei.

 
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Suhl/Zirndorf - Am Dienstag, 6. Mai, also anderthalb Wochen nach dem Reaktorunglück, gibt es dann auf der Titelseite von Freies Wort ein Foto: „DDR-Friedensfahrtteam in Kiew“ ist es überschrieben. Und tatsächlich wurde die Friedensfahrt, eines der größten Radrennen der Welt, bis zum 22. Mai auf 15 Etappen über insgesamt 2109 Kilometer durchgezogen – trotz des zuvor Geschehenen.

Auf dem Platz der Oktoberrevolution in Kiew startet am 6. Mai 1986 – übrigens erstmals in der Sowjetunion – die Internationale Friedensfahrt. Mit dabei für die DDR ist das Team mit Dan Radtke, Olaf Ludwig, Mario Kummer, Kapitän Thomas Barth, Uwe Raab, Uwe Ampler und Ersatzfahrer Jens Heppner. Die Tour soll ein Fest des Friedens und der Lebensfreude werden, hinterlässt aber im Nachhinein bis heute einen bitteren Nachgeschmack.

Mit dabei war als Radrennfahrer auch der Friedensfahrtneuling Mario Kummer, der Architektur studierte und beim SC Turbine Erfurt trainierte. Er wurde 1962 in Suhl geboren, wuchs in Breitenbach auf und trainierte seit 1972 bei Lok Schleusingen, ab 1975 beim SC Turbine Erfurt.

„Es war die erste Friedensfahrt, an der ich teilnehmen durfte“, erinnert er sich. Der 6. Mai, an dem das Bild in der Zeitung erschien, und die Friedensfahrt in der Ukraine begann, war übrigens der 24. Geburtstag des Radsporttalents Mario Kummer.

„Wir waren vor dem Start der Friedensfahrt schon dort im Trainingslager“, sagt er. Ein paar Informationen zum Atomunfall von Tschernobyl waren auch bis zu den Radsportlern durchgedrungen. „Damals stand plötzlich die Frage im Raum, ob die Friedensfahrt überhaupt stattfinden wird.“ Einige Länder hatten ihre Teilnahme jedenfalls vorsorglich abgesagt. Mario Kummer berichtet: „Uns wurde mitgeteilt, dass es gar kein Problem gibt. Als wir allerdings vor Ort waren, sah das ganz anders aus. Da kamen uns Menschen in Schutzanzügen und mit Geigerzählern entgegen.“

Rückblickend sagt der Südthüringer Radsportler, der inzwischen im mittelfränkischen Zirndorf (Landkreis Fürth) lebt und weiterhin auch beruflich seiner Leidenschaft für den Radsport frönt, heute: „Wir haben damals eigentlich relatives Glück gehabt. Wahrscheinlich war die Strahlenbelastung in Bayern höher als in Kiew. Der Wind stand zumindest für uns günstig.“

Insgesamt aber hätten die Spitzensportler 1986 „wenig Informationen“ gehabt, es sei bagatellisiert worden. „Aber ehrlich gesagt haben wir uns da auch keinen all zu großen Kopf gemacht, uns ging es um das Rennen, immerhin zählte ein gutes Abschneiden bei der Friedensfahrt damals mehr als eine Weltmeisterschaft. Als wir unterwegs waren, hat es auch einmal kräftig geregnet. Aber wirklich Gedanken darüber habe ich mir erst später gemacht.“

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