Zeitungsfund Impfkampagne vor 65 Jahren

Das Institut für Organische Chemie und Makromolekulare Chemie der Universität Jena beteiligt sich seit 2019 an einer Studie im Forschungsbereich Tuberkulose. Foto: FW/Eike Kellermann

Ein vor 65 Jahren im Freien Wort erschienener Artikel ist Ulli Kahr beim Ausbau alter Fenster in die Hände gefallen. Der aktuelle Bezug ist erstaunlich – oder auch nicht.

 
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Schmalkalden - Beim Ausbau alter Fenster auf einer Baustelle in Rotterode entdeckte Ulli Kahr eine Ausgabe des Freien Wortes vom 24. April 1956. Sie steckte als Isolation in der Bekleidung, offenbar gab es damals nichts anderes, vermutet unser Leser. Was ihn hingegen mehr interessierte, war ein Artikel, der aktueller nicht sein könnte. Eigentlich, merkt er an, bräuchte man nur ein Wort auszutauschen: Corona statt Tuberkulose.

Im besagten Aufsatz wirbt die Tuberkulose-Beratungsstelle in Suhl für die Schutzimpfung gegen diese Lungenerkrankung, auch bekannt unter „Schwindsucht“ oder „weißer Tod“. „Trotz aller Bemühungen und Anwendungen modernster Heilmethoden“ sei es noch nicht gelungen, die Tuberkulose in wünschenswertem Umfang einzudämmen, heißt es. Mit der Schutzimpfung „scheint endlich ein Mittel gefunden, mit dem es – allerdings erst im Laufe der Jahre – gelingen wird, die Zahl der Tuberkuloseerkrankungen erheblich herabzumindern.“ Die Autoren verweisen auf viele andere Länder, die durch konsequentes Impfen die Krankheit bereits in den Griff bekommen haben, wie zum Beispiel Schweden.

Erläutert werden Wege der Ansteckung, Erkrankung und Heilung. So infiziere sich fast jeder Mensch im Laufe seines Lebens mit Tuberkulose. Glücklicherweise kommt es nur bei einem Teil zur Erkrankung, abhängig von der Widerstandsfähigkeit, der Menge der Bakterien, der Dauer ihrer Einwirkung. Jeder Gesunde solle sich impfen lassen, vor allem die Kinder, die bei einer Ansteckung am meisten gefährdet sind, wird an die Leserschaft appelliert. Die verheerenden Auswirkungen der Tuberkulose seien ja hinreichend bekannt. Mögliche Reaktionen wie Rötungen oder Bläschenbildung werden nicht ausgeschlossen. „Bei Millionen Impfungen in den vielen Ländern der Erde hat es ernsthafte Zwischenfälle nicht gegeben.“ – „Ist doch ganz interessant, mit was unsere Eltern und Großeltern vor 65 Jahren zu kämpfen hatten“, schreibt Ulli Kahr.

Tuberkulose (TB) gehört zu den tödlichsten Infektionskrankheiten, die von Bakterien verursacht wird. Die Erreger werden meist durch Tröpfchen in der Atemluft übertragen, die eingeatmet werden. Schon im antiken Rom gab es Tuberkulose-Epidemien, ebenso wie im Mittelalter oder noch zu Beginn der Industrialisierung. Erst mit der Entdeckung des Bakteriums durch Robert Koch gelang der Durchbruch. Am 24. März 1882 verkündete er seinen Erfolg in Berlin. 1921 entwickelten die französischen Wissenschaftler Albert Camette und Camille Guérin die Tuberkulose-Impfung. Der Impfstoff wurde nach seinen Entdeckern BCG (Bacillus Calmette-Guérin)-Impfstoff genannt.

In den 1950er Jahren wurden in der DDR 500 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner registriert. 1960 sank die Inzidenz auf 210, 1970 lag sie bei nur noch 80. Mittlerweile liegt sie (Stand 2017) bei 6,3.

Weltweit sterben noch immer pro Minute drei Menschen an TBC. Im Jahr 2020 wurden dem Robert-Koch-Institut 4127 Tuberkulose-Erkrankungen in Deutschland übermittelt.

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