Zehn Jahre Stadtgarten Ein offener Garten für alle

Seit zehn Jahren gibt es den Stadtgarten am Ilmenauer Stollen. Das inklusive Projekt der Lebenshilfe ist offen für alle: Es wird auch von Anwohnern und Studenten gern genutzt – aber leider gelegentlich auch verschandelt.

 
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Zwischen Beeten, Stauden, Bäumen und Büschen gab es unterhalb des Ilm-Rennsteig-Radwegs am Ilmenauer Wohngebiet kürzlich etwas zu feiern: Hier hat sich auf einem Garten-Grundstück neben der kleinen Sportanlage der sogenannte Stadtgarten etabliert – bereits seit zehn Jahren. Es kann Kleingärtnerei betrieben werden als Freizeitvergnügen, als Therapie oder zum Ausprobieren mit Gewächsen.

Das Projekt ist quasi ein Kind des Lebenshilfe-Vereins des Ilm-Kreises, bei dem von Anfang an viel Wert auf Inklusion gelegt wurde, erklärt Michaela Richter, die Einrichtungsleiterin der psychosozialen Lebenshilfe-Tagesstätte in der Münzstraße: „Wir betreiben den Stadtgarten nicht nur mit psychisch erkrankten Menschen, sondern gern auch mit allen anderen Bürgern der Stadt Ilmenau“, sagt sie.

Sie erinnert sich an die Anfänge zurück, gemeinsam mit ihrem Kollegen Enrico Bernschneider, der auch ein „Urgestein“ in Sachen Stadtgarten ist. Im Frühjahr 2013 habe man losgelegt, nachdem zusammen mit dem Ilmenauer Stadtgrünamt die Grundstücksfrage geklärt war. Anfangs war auch ein Grundstück am Brandenburger Teich im Gespräch. Dann schlug die Stadtverwaltung vor, das Areal am Stollen zu nutzen, und schnell fand man eine gemeinsame Basis. „Wir waren darüber nicht traurig“, sagt Michaela Richter, „denn diese kleine grüne Oase liegt zentral und zentrumsnah.“

Wobei „kleine“ grüne Oase relativ zu verstehen ist: Anfangs musste man das knapp 1000 Quadratmeter große Grundstück zunächst einmal begehbar machen, Gras mähen und Wildwuchs entfernen. „Dann hat man gesehen, wie groß das Grundstück wirklich ist“, sagt Michaela Richter.

So wurden Beete angelegt mit den Klienten der Lebenshilfe, zugleich schaltete man Zeitungsinserate und warb in der Stadt, an der Universität und in sozialen Kanälen um Beteiligung: Es wurden Leute zum Mitmachen gesucht, die Interesse an und Erfahrung mit Kleingärtnerei haben, sodass man voneinander lernen kann. „Die Menschen, die wir in der Lebenshilfe betreuen, kommen zu uns, um wieder eine Tagesstruktur zu erlangen“, erklärt sie. Dabei kann und soll die Gartenarbeit den psychisch Erkrankten helfen. Im günstigsten Fall könne bei ihnen die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erfolgen, oft sei aber das große Ziel, dass sie (ehrenamtlich) einer regelmäßigen Beschäftigung nachgehen. Der Hauswirtschaftsbereich spielt dabei eine große Rolle, ebenso wie auch der Umgang mit Kräutern, Obst und Gemüse – in dem Fall selbst angebaut und geerntet.

Mit Unterstützung von Sponsoren wie der Aktion Mensch und einem ortsansässigen Kreditinstitut konnte das notwendige Material besorgt werden: So wurden Gartengeräte, Obstbäume und Gemüsepflanzen angeschafft. „Wir haben klein angefangen, mit etwa 15 Beetpaten“, sagt Michaela Richter. Alles Ilmenauer, jeder von ihnen hatte ein Beet, um das er sich kümmerte – inklusive Aussaat, Unkrautbeseitigung und Ernte.

Anfangs war der Stadtgarten als offenes Projekt geplant, ohne Tor am Grundstückszugang. Diese Offenheit sei aber gescheitert – wegen wiederholtem Vandalismus. „Uns wurde hier nicht nur die Ernte, sondern manchmal auch gleich die Pflanzen geklaut. Zucchinis, Erdbeeren, Gemüsepflanzen“, räumt Michaela Richter ein. Auch der Bauwagen auf dem Gelände, der als Geräteschuppen dient, sei regelmäßig Opfer von Vandalismus geworden – er wurde mit Farben beschmiert und von Jugendlichen als „Kletterbaum“ benutzt. Ein Tor am Grundstückszugang sollte dem später Einhalt gebieten.

An der Zahl von 15 Beetpaten hat sich im Stadtgarten bis heute nicht viel geändert – außer, dass es eine gewisse Fluktuation gab, vor allem unter den beteiligten Studenten der TU Ilmenau und natürlich auch unter den Klienten der Lebenshilfe. Von den anfangs beteiligten psychisch Erkrankten seien mittlerweile viele wieder ins „normale“ Leben eingegliedert, aber mindestens zwei von ihnen seien noch Beetpaten geblieben. Die anderen Beteiligten seien bunt gemischt aus allen Schichten – neben Studenten etwa auch Senioren, alleinerziehende Eltern, Migranten.

Wobei ein Beetpate nicht zwingend nur eine Person sein muss – auch Gruppen oder Familien können sich ein Beet teilen. „Aber alle bringen sich im Stadtgarten ein“, erklärt Michaela Richter. Unter anderem sei eine indische Familie dabei, die Yoga-Angebote macht, zwei Imker mit mehreren Bienenvölkern, die einen Lehrbienenstand anbieten, und relativ schnell hatte sich auch ein Stadtgarten-Stammtisch etabliert. Regelmäßige Treffen gab es dann montags (mindestens vier Mal im Jahr), dazu kamen außerdem zwei jährliche Feste im Frühling und im Herbst.

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