Zahlen steigen Sorge um Lungen-Infektionen bei Thüringer Babys

Thüringer Kleinkinder haben derzeit auffällig oft mit Bakterien und Viren zu kämpfen, die auf die Lunge gehen können. Verwirrung gibt es ums Impfen. Was ist da los?

 
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Lungenkrank durch Mykoplasmen oder RSV: Vermehrt sind Thüringer Kinder betroffen. Foto: dpa/Annette Riedl

Thüringer Kinder- und Jugendärzte beobachten derzeit auffallend viele Infektionen mit Mykoplasmen. „Das ist sehr merkwürdig dieses Jahr und habe ich in 20 Jahren Praxis nicht erlebt“, sagte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Thüringen, Dirk Rühling, der in Weimar praktiziert. „Wir haben selten so viel Antibiotika wie diesen Sommer herausgegeben.“

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Mykoplasmen sind Bakterien, die vor allem durch Husten und Niesen verbreitet werden. Meist verlaufen die Infektionen mild, sie können aber auch schwere Lungenentzündungen hervorrufen. In den vergangenen Jahren hat es Fachleuten zufolge eher weniger Infektionen gegeben. Das Thüringer Gesundheitsministerium berichtete von einer deutlichen Zunahme behandlungsbedürftiger Lungenentzündungen. Diese Einschätzung stütze sich auf Rückmeldungen einzelner Kinder- und Jugendärzte, hieß es. Genaue Zahlen zur Infektionslage lägen aber nicht vor, da es im Freistaat keine Meldepflicht hierzu gebe. Am Uniklinikum Jena sei das Thema klinisch bisher nicht auffällig geworden, sagte eine Sprecherin.

Aber auch ein besonders tückisches Virus macht den kleinsten Thüringern auffallend oft zu schaffen: Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), mit dem sich häufig Babys infizieren. Bis Anfang Oktober habe es jedoch nur vereinzelt Infektionen gegeben, teilte das Gesundheitsministerium mit. Die Saison beginne aber erst. Von Oktober 2023 bis Juni 2024 mussten 415 infizierte Kinder mit RSV im Krankenhaus behandelt werden, fast die Hälfte davon war jünger als ein Jahr.

Erstmals sollen nun alle Kinder in ihrer ersten RSV-Saison unabhängig von den Risikofaktoren Anspruch auf eine Impfung haben, die die Krankenkasse bezahlt. Kinderarzt Rühling weist darauf hin, dass einen Anspruch auf eine bezahlte Impfung nur jene Kinder haben, die ab dem 1. April 2024 geboren sind. Hier gebe es viel Verwirrung, weil Eltern annähmen, dass alle Kinder unter einem Jahr die Impfung erstattet bekämen.

Grundsätzlich ist die Dauer einer RSV-Saison von Oktober bis einschließlich März festgelegt. Das heißt: Kinder, die vor dem 31. März 2024 geboren wurden, hätten sich nach dieser Logik bereits mit RSV anstecken können und haben somit keinen Anspruch.

Das sei aber nur diese Saison so kompliziert, sagt Rühling. Künftig sollen Babys, die zwischen Oktober und März auf die Welt kommen, rasch nach der Geburt die RSV-Impfung erhalten. Jene Kinder, die zwischen April und September geboren werden, sollen sie möglichst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison bekommen.

Generell verläuft der Start der Impfung jedoch holprig. Es scheine zurzeit große regionale Unterschiede zu geben, wo Impfstoff geliefert werden könne und wo nicht, sagte Rühling. In Weimar etwa sei kein Impfstoff zu bekommen und es gebe auch kein Datum dafür. „Die besorgten Eltern rennen uns die Praxis ein und wir können nichts machen, außer sie zu vertrösten.“

Am Uniklinikum Jena hingegen laufen die Impfungen mit dem Antikörper Nirsevimab bereits, wie eine Sprecherin mitteilte. Von Versorgungsproblemen sei nichts bekannt. Das Gesundheitsministerium hat noch keine Erkenntnisse darüber, wie die Impfungen in Thüringen anliefen und wie viel Impfstoff verfügbar ist. Schon Ende September habe das Bundesgesundheitsministerium aber einen Versorgungsmangel bekannt gegeben.

Bakterien und Viren

Mykoplasmen
sind hoch ansteckende Bakterien. Sie sind einer der bedeutenden Erreger einer so genannten atypischen Lungenentzündung. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche, die die Bakterien durch Husten und Niesen übertragen. Gegen Mykoplasmen schützt (wie bei allen Bakterien) keine Impfung. Einmal infiziert und diagnostiziert, wird die Krankheit mit Antibiotika behandelt.

RS-Viren
können ebenfalls schwere Lungenkrankheiten auslösen und sind ganz besonders für Babys und Kleinkinder gefährlich. Aber auch ältere Erwachsene über 65 müssen aufpassen. Krampfartiger Husten, Atemnot und schwere Lungenentzündungen sind mögliche Folgen einer RSV-Infektion. Infizierte Säuglinge müssen oft auf die Intensivstation. Ebenso wie die Mykoplasmen werden RS-Viren vor allem über Husten und Niesen übertragen. Gegen das Virus gibt es einen Impfstoff, der für Neugeborene kostenlos ist.