Doch woran liegt das? Ulrich Kastner sieht den Grund für das Fernbleiben in den vielfältigen familiären Aufgaben, die Mütter und Väter noch immer erfüllen müssen. „Familien haben zur Zeit noch andere Themen“, erklärt er. Den eigenen Job sichern, sich um die Schulausbildung ihrer Kinder kümmern, die noch nicht lange wieder in Präsenz stattfindet – Viele hätten noch das Gefühl, nicht wegzukönnen. Psychische Erkrankungen und das eigene Wohlbefinden ständen da oft hintenan.
Auch deshalb habe sich das psychiatrische Krankenhaus in Hildburghausen dazu entschlossen, bei der „Woche der seelischen Gesundheit“ mitzumachen. Ein niederschwelliges Angebot wolle es in dieser Woche bereitstellen, zu dem jeder vorbei kommen, sich informieren und Fragen stellen könne. So gibt es etwa eine eine offene Sprechstunde zum Thema „Psychiatrie im Alter“, Informationen zum Thema „Borderline“ und eine Beratungsstunde, in der Fragen von pflegenden Angehörigen beantwortet werden.
Annett Rottenbach, Leiterin des Sozialdienstes, hat die „Woche der seelischen Gesundheit“ in der Helios-Klinik zusammen mit Ulrich Kastner konzipiert. Sie hofft, dass das Programm auch dazu beiträgt, mit Vorurteilen gegenüber der Psychiatrie und psychischen Erkrankungen aufzuräumen. „Es geht auch darum, Barrieren abzubauen“, sagt sie. Noch gebe es nämlich viele Berührungsängste. Darum berichten einen Tag lang Mitarbeiter der Klinik aus ihrem beruflichen Alltag in der Psychiatrie, an zwei anderen wiederum haben Besucher die Möglichkeit, selbst mal bei einem Intelligenz-, Aufmerksamkeits- oder Demenztest mitzumachen.
Im Zuge der „Woche der seelischen Gesundheit“ wird die Buchhandlung am Markt in Hildburghausen ausgewählte Literatur zum Thema auf einem Aktions-Tisch bereitstellen. Auf diese Weise wolle man „auch aus der Klinik herausgehen“, sagt Annett Rottenbach. Geht es nach ihr, soll es im nächsten Jahr aber nicht dabei bleiben: „Nächstes Jahr wollen wir auch noch andere Akteure mit ins Boot holen“, so die Sozialarbeiterin. Sie hat dabei vor allem Beratungsstellen und andere (psycho-)soziale Angebote im Landkreis im Blick – zum Beispiel die Schuldnerberatung, die Erziehungsberatungsstelle und verschiedene Selbsthilfegruppen. Schließlich ist der Weg von einer psychischen Erkrankung zurück ins normale Leben oft lang – und braucht auch über die psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung hinaus Unterstützung.