Wintersport in der Zukunft „Schneekanonen waren lange das Allheilmittel“

Judith A. Sägesser
Schneekanonen werden in Zukunft nur noch interessant sein für höher gelegene Skigebiete, sagt der Experte Maximilian Witting aus München. Foto: dpa//Karl-Josef Hildenbrand

Ohne menschliches Zutun wäre das Skifahren bereits heute in vielen Regionen nicht mehr zuverlässig möglich. Und der Klimawandel schlägt auf die Preise durch. Ist der Wintersport im Jahr 2050 ein Vergnügen für Eliten?

 
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Mit den Folgen des Klimawandels für den Wintersport hat sich Maximilian Witting von der Ludwig-Maximilian-Universität in München in seiner Promotion beschäftigt. Hier erklärt er, ob das das Skifahren in den nächsten Jahrzehnten noch eine Rolle spielen wird.

Herr Witting, wohin geht es diesen Winter für Sie zum Skifahren?

Ich bin ja aus München, und dadurch, dass meine Kinder noch dabei sind, Skifahren zu lernen, sind wir eher im näheren Umfeld, also Richtung bayrische Voralpen unterwegs.

Wenn Ihre Kinder so alt sind wie Sie heute, werden sie auch noch im näheren Umland Ski fahren?

Wir müssen uns drauf einstellen, dass sich der Wintersportmarkt auf jeden Fall verändern wird, auch in Bezug auf die Verteilung der Destinationen. Das heißt, ich glaube, meine Kinder werden nicht mehr unbedingt in die gleichen Skigebiete fahren können, in denen sie Skifahren gelernt haben.

Bereits heute wäre Wintersport in Zentraleuropa ohne Nachhelfen oft nicht mehr möglich. Die Schneekanone wird aber nicht ewig als Krücke funktionieren.

Die Schneekanonen waren lange Zeit das Allheilmittel. In der Zukunft werden sie eher für höher gelegene Skigebiete interessant sein, weil dort bei besseren Bedingungen beschneit werden kann, zusätzlich zum natürlichen Schneefall. Die niedriger gelegenen Skigebiete können zum Teil schon heute nicht mehr wirtschaftlich rentabel agieren. In diesem Fall heißt das: Eine Schneekanone überbrückt nur eine Phase, in der sich die Betreiber Gedanken machen müssen: Wie kann ich diesen Veränderungsprozess so einleiten, dass ich aus der Abhängigkeit vom Winter komme? Es gibt aber leider häufig keine Strategie, die aus der gesamten Destination heraus wächst, das ist eher so bruchstückhaft, jeder macht das so ein bisschen für sich selber.

Denken Sie, Skifahren ist im Jahr 2050 ein Wintervergnügen von Eliten?

Nein, das glaube ich nicht. Ich finde, häufig ist da so eine Schwarz-Weiß-Malerei bezüglich der finanziellen Möglichkeiten. Es ist ein teurer Sport, und er wird auch noch teurer werden, einfach weil die Maßnahmen, die notwendig sind, sich auch im Preis widerspiegeln werden. Wir müssen damit rechnen, dass wir längere Anfahrtswege haben und dass wir flexibler sein müssen. Da wird ein gewisser Teil der Gesellschaft rausfallen, aber das sieht man ja heute schon.

Sehen Sie denn das Zukunftsszenario, dass die Leute irgendwann nicht mehr nach Ischgl reisen, sondern in die Polarregion?

Nein. Wir haben ja in Österreich, Italien, in der Schweiz und in Teilen Frankreichs Skigebiete, die deutlich über 2000 Meter liegen, die werden das auch in Zukunft noch wirtschaftlich rentabel anbieten können, das zeigen Modellierungsergebnisse. Die Frage ist, ob immer noch von Ende November bis Ende März.

Abgesehen vom Schneemangel hat das Lawinen-Unglück an der Marmolata in den Dolomiten im Sommer 2022 gezeigt: Gefahren durch den Klimawandel steigen.

Das stimmt, wobei es bei dem Unglück an der Marmolata eine spezielle Konstellation war. In einem klassischen Skigebiet, zum Beispiel in Österreich, haben wir eher selten darüber liegende Gletscher, sondern eher Hänge, die von Lawinengefahr betroffen sind. Um für mehr Sicherheit in den Skigebieten zu sorgen, werden schon heute Lawinen durch Sprengung künstlich ausgelöst. Wir sind, wenn wir in den Alpen unterwegs sind, verstärkt Gefahren ausgeliefert, nicht nur im Winter. Im Sommer steigt beispielsweise die Gefahr von Steinschlag, weil der Permfafrost, also der dauerhaft gefrorene Boden, teilweise auftaut.

Zur Person

Biografie
Maximilian Witting ist 38 Jahre alt; er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ludwig-Maximilian-Universität in München in der Forschungseinheit Mensch-Umwelt-Beziehungen. Seine Doktorarbeit hat er über die Folgen des Klimawandels für den Wintersport geschrieben.

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