Chinas Schuldenproblem
Doch der chinesische Erfolg hat einen hohen Preis. Viele Firmen haben auf Kredit große Überkapazitäten aufgebaut. Die Verschuldung des chinesischen Privatsektors - das sind Haushalte und Unternehmen ohne Finanzbranche - hat astronomische Ausmaße erreicht und beläuft sich nach Zahlen des Internationalen Währungsfonds mittlerweile auf über 300 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts, Tendenz steigend. Manche Ökonomen warnen seit über einem Jahrzehnt, dass in China eine große Finanzkrise schlummert.
"Typischerweise hat sich da die Strategie durchgesetzt, relativ lange auf Profite zu verzichten, ganz stark zu skalieren und zu versuchen, Wettbewerber einige Jahre lang in Schach zu halten und eines von den wenigen überlebenden Unternehmen zu sein", sagt Ökonom Böing. "Für einige Jahre ist das ein reines Verlustgeschäft und es geht nur um die Skalierung." Das bedeutet: Ein Unternehmen produziert umso kostengünstiger, je mehr Stückzahlen es fertigt. "Die Produktion kann häufig im chinesischen Binnenmarkt gar nicht absorbiert werden und geht dann halt in den Export."
Überkapazitäten für deutsche Firmen "extrem gefährlich"
Allein der riesige Heimatmarkt ist ein Vorteil für chinesische Firmen. "Bei Windturbinen etwa können chinesische Wettbewerber aufgrund des extremen Zubaus im eigenen Markt sehr viel Know-how und technische Kompetenzen aufbauen", sagt BCG-Berater Burchardt. "In China entstehen in sehr vielen Technologien große neue Produktionskapazitäten, die die chinesischen Hersteller in extreme Preiskämpfe zwingen, so dass sie außerhalb Chinas neue Absatzmärkte finden müssen." Das sei für deutsche Unternehmen "extrem gefährlich".
In der Breite habe Deutschland nach wie vor in vielen Bereichen technologisch führende Industrie, sagt Burchardt. "Sie sieht sich jetzt aber einem Wettbewerber gegenüber, der auch für viele moderne Technologien einen deutlich größeren Heimatmarkt hat, auf insgesamt niedrigerem Produktionskostenniveau produzieren kann und offensichtlich geringerem Kapitalmarkt- und Renditedruck ausgesetzt scheint."
Technologiewettbewerb entscheidet Systemwettbewerb
Die weitere Entwicklung hängt nicht zuletzt vom weiteren Verlauf der von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte ab. "Prognosen abzugeben, ist wegen der schlagartigen Politikwechsel in den USA relativ schwer", sagt Ökonom Böing.
Eine dauerhafte Entspannung erwartet er nicht: "Dahinter steht aus meiner Sicht der Systemwettbewerb zwischen China und dem Westen, insbesondere den USA." Über den Erfolg dieses Systemwettbewerbs werde der Technologiewettbewerb entscheiden. "Die Zölle sind jetzt quasi eine Lupe, mit der wir uns das anschauen. Ich denke, dass es da in Zukunft immer wieder auch anders gelagerte Konfrontationen im Bereich des Handels, im Bereich des Innovationswettbewerbs geben wird."