Die Ergebnisse sind besorgniserregend. "Die Sepsis wurde viel zu selten und im Falle des nicht-ärztlichen Rettungspersonals kein einziges Mal als Verdacht erfasst", sagt Bauer. Notärztinnen und Notärzte dokumentierten demnach nur in 0,1 Prozent der untersuchten Fälle den Verdacht auf einen septischen Schock.
Hohe Mortalitätsrate
Die Studie zeigt außerdem, dass der Anteil der Patienten im Rettungsdienst, bei denen im Krankenhaus eine Sepsis diagnostiziert wurde (1,6 Prozent), nur leicht unter dem von Herzinfarkten (2,6 Prozent) und Schlaganfällen (2,7 Prozent) lag, es bei der Mortalitätsrate aber deutliche Unterschiede gab. Demnach starben fast 32 Prozent von allen Sepsis-Patienten innerhalb von 30 Tagen nach der Nutzung des Rettungsdienstes, beim Herzinfarkt waren es rund 13 Prozent, beim Schlaganfall rund 12 Prozent.
Rettungsdienstpersonal sollte deutschlandweit eigentlich eine standardmäßige Anweisung haben, bestimmte Vitalparameter zu messen, erklärte Piedmont, Erstautorin der Publikation und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Zentralen Notaufnahme der Charité am Campus Benjamin Franklin. Dazu zählten die Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffgehalt im Blut, Körpertemperatur, Atemfrequenz und eine mögliche Veränderung des Bewusstseins. "Diese Parameter können einen sehr guten Hinweis darauf geben, ob eine Sepsis vorliegt." Oft werde aber noch nach Bauchgefühl entschieden.
Syndrom nicht ausreichend bekannt
Um das zu ändern, sei zunächst einmal wichtig, dass überhaupt an eine Sepsis als mögliche Diagnose gedacht werde, meint Bauer. Allgemein fehle es noch an Bewusstsein für das Syndrom, auch in der Bevölkerung sei es nicht ausreichend bekannt. Zu den Symptomen zählten vor allem eine plötzliche Wesensveränderung oder eine Veränderung des Bewusstseins, zum Beispiel Verwirrtheit, ein niedriger Blutdruck und ein schneller oder erniedrigter Puls. Auch eine niedrige Sauerstoffsättigung, Kurzatmigkeit und eine niedrige oder erhöhte Körpertemperatur seien Merkmale.
Um eine Sepsis zu diagnostizieren, kann das Rettungsdienstpersonal zur Unterstützung verschiedene Messinstrumente nutzen, die Vitalparameter abfragen und daraus Maßnahmen ableiten. Ein Bewertungssystem aus verschiedenen Messungen, das sogenannte National Early Warning Score 2 (NEWS2), erkennt der Studie zufolge fast drei Viertel der Sepsis-Fälle. In Deutschland werde diese Art der Überprüfung in der Sepsis-Leitlinie aber nicht genannt und kaum eingesetzt.
Auch Menschen, für die eine Sepsis nicht tödlich endet, leiden sehr häufig an Lang- und Spätfolgen, wie Piedmont erklärt. Das können etwa Konzentrationsprobleme und Seh- oder Sprachstörungen, aber auch Depressionen sein. Bei einigen Menschen sind den Angaben zufolge Amputationen notwendig, weil Finger oder ganze Gliedmaßen absterben. "Sepsis kann jeden treffen", sagt die Gesundheitswissenschaftlerin. Umso wichtiger sei es, mehr Bewusstsein für die Existenz und die Folgen des Syndroms zu schaffen.
Schutz bieten Hygiene und Impfungen
Am besten vor einer Sepsis schützen können sich Menschen nach BZgA-Informationen, indem sie versuchen, Infektionen vorzubeugen. Wichtig seien etwa regelmäßiges und gründliches Händewaschen, eine gute Toilettenhygiene und ein sorgfältiger Wundschutz. Außerdem gebe es gegen einige der häufigsten Auslöser einer Sepsis Impfungen, zum Beispiel gegen Pneumokokken, Meningokokken oder die Grippe.