Weitersroda Die Paradiesvögel fliegen – ins Netz

Florian Kirner Foto: /Bastian Frank

„Wir finden statt“ hielt Florian Kirner in den letzten Wochen jedem trotzig entgegen, der nicht so recht an ein zehntes Paradiesvogelfestival glauben wollte. Nun ist klar: Es findet statt – digital und dezentral.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Natürlich – am Ende muss sich auch ein Florian Kirner alias Prinz Chaos II. der Bundesnotbremse ergeben. Und da ist, angesichts der aktuellen Inzidenzen im Landkreis Hildburghausen, im Moment einfach keine Party zu machen. Aber, der feinsinnige Weitersrodaer Schlossherr und Festival-Veranstalter hätte sich wohl in den letzten Wochen nicht so sehr aus dem Fenster gelehnt, würde er sich neben Plan A nicht auch B, C und D überlegt haben. In der kommenden Woche wird es nun – der Pandemie zum Trotz – wie geplant vom 12. bis 16. Mai das zehnte Paradiesvogelfest geben, als Live-Stream im Netz. Alle Bands und Künstler stehen im Weitersrodaer Schlosshof auf der Bühne. Zuschauen kann jeder, der mag und das auch noch in aller Welt. „Es wird das kleinste, und gleichzeitig größte Festival sein“, sagt Florian Kirner.

Dieser „geheime Geheimplan“, wie der Weitersrodaer seinen Plan D spitzbübisch nennt, reifte wohl schon vor einer Weile als allerletzte Möglichkeit in den Schlossmauern. Doch er blieb erst einmal geheim. Zuvor wollte Kirner nichts unversucht lassen, um doch noch irgendwie Publikum vor Ort zu holen. Und wohl auch die Politik dazu zwingen, sich ernsthaft Gedanken um die Kultur zu machen. Nachdem sich abzeichnete, dass ein normales Festival nicht möglich sein würde, hatte er bei der Thüringer Staatskanzlei und dem Gesundheitsministerium ein Modellprojekt für die Veranstaltungsbranche (Plan B) angeregt. Das wäre vielleicht gar nicht so abwegig gewesen, wäre da in Berlin keine Notbremse beschlossen worden. Gesundheitsministerin Heike Werner antwortete ihm sogar persönlich und ausführlich, lobte die „überzeugenden Lösungen“ seines Hygienekonzepts und bot ihm Hilfe an. Das hat Kirner gefreut, klar, am Ende aber musste auch die Ministerin auf das geltende Infektionsschutzgesetz verweisen.

Daraufhin wurde Plan C geboren. Kirner nennt ihn seine „göttliche Option“ – eine Art Kirchenasyl für die Paradiesvögel. Er hat den Benediktinermönch Thomas Quartier (Professor für Ritualwissenschaft und Liturgie an der Universität Nimwegen), den Kölner Diakon Martin Gross und das Ehepaar Morgenroth aus Themar dafür gewinnen können. Pfarrer Morgenroth war bereit, den Gottesdienst mit Musik anzumelden. Gottesdienst, Gesprächsrunden und natürlich Livemusik – das war der Plan, der sich auch schnell wieder verflüchtigte, weil so gut wie kein Publikum erlaubt sein würde.

Nun also fliegen die Paradiesvögel ins Netz. Florian Kirner gibt zu: Das sei Neuland für alle. Das Publikum des Weitersrodaer Festivals sei eher analog unterwegs und nicht so drauf, dass es mit dem Handy vor der Bühne stehe: „Die schauen lieber zu als zu posten, wo sie gerade sind.“ Er hat eine professionelle Streaming-Firma engagiert, die Kameras und Mikrofone in Weitersroda aufbauen werden, alle Künstler stehen dort auf der Bühne, bis auf wenige Techniker wird niemand im Hof sein. „Alle Hygieneregeln werden eingehalten“, verspricht der Schlossherr. Auch Talkrunden sind geplant – mit den Geistlichen, die er eingeladen hat, und mit Leuten von der Allianz Hildburghäuser Veranstalter. Kirner sieht das Festival auch als Selbstbehauptung von Kultur. Und wohl auch deshalb wollte er es nicht absagen oder verschieben: „Ich habe es bereits 2020 ohne Murren abgesagt. Das war für mich so traurig, dass ich damals beschlossen habe: Nicht noch einmal.“

Für alle, die bereits Tickets gekauft haben – und das sind nicht wenige, über 300 Tages- und Dauerkarten sind weg – hat Kirner aber eine gute Nachricht: Vom 16. bis 20. September soll es ein zweites und dann das elfte Festival vor Ort geben – natürlich mit Publikum. Gekaufte Karten bleiben bis dahin gültig, sagt Kirner. Wer möchte, kann sie aber auch zurückgeben – oder den Ticketpreis spenden. Die Erlöse des Vorverkaufs habe er bislang nicht angerührt, sagt der Weitersrodaer. Für das Festival im Netz rechnet er mit rund 10 000 Euro Kosten für Gagen und Technik. Den größten Teil davon will Kirner durch Spenden einsammeln. Der Live-Stream werde an allen vier Tagen kostenlos abrufbar sein, aber wer sozusagen zu Hause beim Festival mit dabei ist, der möge solidarisch sein und den Künstlern eine Spende zukommen lassen. Sie zu bezahlen ist dem Festival-Chef wichtig. „Vielen von denen geht es gerade echt nicht gut und das Festival ist ihr erster Auftritt seit Langem.“ Wenn das alles über die Bühne gegangen ist, legt Kirner auch gleich nach: Am 12. Juni will Konstantin Wecker im Schlosshof spielen. Kultur behauptet sich. Angemerkt

Ticket-Rückfragen via Geschäftsstelle dieser Zeitung: 03681/792413

Autor

Bilder