Änderungen am ersten Entwurf
Was die Politiker der Opposition besonders auf die Palme gebracht hat, war die Tatsache, dass die Ampel-Fraktionen wenige Tage vor der geplanten Abstimmung ihren ersten Entwurf durch eine neue Variante ersetzten. Ursprünglich wollte die Ampel das Parlament sogar wieder auf die im Bundeswahlgesetz genannte Sollgröße von 598 Abgeordneten reduzieren. Nachdem die Union diesen Vorschlag von SPD, Grünen und FDP abgelehnt hatte, präsentierte die Ampel dann einen geänderten Entwurf, der neben der höheren Zahl von 630 Mandaten auch die Streichung der Grundmandatsklausel beinhaltet. Linke und Union verkündeten in der abschließenden Debatte in seltener Einigkeit: So mit den anderen Fraktionen umzuspringen, sei arrogant und inakzeptabel. Schließlich müsse man sich bei so einem wichtigen Vorhaben in Ruhe eine Meinung bilden können.
Die Folgen
Bei der Bundestagswahl 2021 holte die SPD 206 Mandate, die CDU 152, die CSU 45, die Grünen 118, die FDP 92, die AfD 83 und die Linke 39 Mandate. Der SSW als Partei der dänischen Minderheit gewann einen Sitz. Der Wahlrechtsforscher Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung hat ausgerechnet, welche Folgen es gehabt hätte, wenn das neue Recht schon damals angewandt worden wäre. Dann sähe die Sitzverteilung so aus: SPD 188, CDU 138, CSU 38, Grüne 107, FDP 83, AfD 75, SSW 1. Das zeigt, dass die Argumentation der Ampel-Koalition stimmt, alle Parteien müssten gleichermaßen zur Verkleinerung des Bundestags beitragen. Wobei die Kritik der Linken nachvollziehbar ist, dass sie besonders getroffen würde.
Das Bundesverfassungsgericht
CDU, CSU und Linke halten das neue Wahlrecht für verfassungswidrig. Sie wollen es daher von Karlsruhe überprüfen lassen. Wie jede Bürgerin und jeder Bürger können Abgeordnete beim höchsten deutschen Gericht eine Verfassungsbeschwerde einreichen und erklären, dass sie in ihren Grundrechten verletzt worden seien. Die Unionsfraktion will zudem eine abstrakte Normenkontrolle anstrengen, bei der das Bundesverfassungsgericht die Vereinbarkeit der neuen gesetzlichen Regelungen mit dem Grundgesetz prüft. Für einen entsprechenden Antrag wäre ein Viertel der Mitglieder des Bundestags nötig.
Wie geht es jetzt weiter?
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat neben dem Gang nach Karlsruhe noch einen zweiten möglichen Weg skizziert, die Reform der Ampel zu kippen. Er sagt, seine Partei sei zwar generell für eine Verkleinerung des Bundestages. Sie werde aber, wenn sie das nächste Mal an einer Regierung beteiligt sei, "darauf dringen, dass das geändert wird", sagte er mit Blick auf den Entwurf der Ampel.