Wahlkampfauftakt Grün, grüner, im Grünen

Eike Kellermann

Auf einer Obstwiese stellen die Thüringer Grünen ihre Kampagne zur Landtagswahl vor. Die Botschaft: Wer Klima- und Naturschutz will, sollte trotz schlechter Umfragewerte das Original wählen.

 
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Raues Wetter: Die Grünen-Spitzenleute Bernhard Stengele und Madeleine Henfling beim Wahlkampfauftakt auf einer Erfurter Streuobstwiese. Foto:  

Bei der Präsentation der Grünen-Kampagne zur Landtagswahl lässt die Unberechenbarkeit der Natur nicht lange auf sich warten. Kurz nach Beginn kippen die ersten Plakate von den Ständern. Ein Windstoß hat sie heruntergeweht. Aus dem anfänglichen Nieseln wird starker Regen. Er ahne schon, sagt der Thüringer Umweltminister und Spitzenkandidat Bernhard Stengele, dass deshalb gefrotzelt werde: „vom Winde verweht“ oder „die Grünen stehen im Regen“. Trotzdem ist er froh, hier raus auf diese Streuobstwiese unterhalb des Erfurter Flughafens gekommen zu sein, wo die Plakate den Medien präsentiert werden. Schafkacke unter den Schuhen inklusive.

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Stengele ist ein kerniger Typ, der sich für die grüne Sache auch mal nass regnen lässt. „Energie, Vielfalt, Zuversicht“ steht auf dem Wahlplakat, das den gelernten Schauspieler in seinem Lieblingsoutfit, einem Pullover, zeigt. Energie und Zuversicht werden er und Co-Spitzenkandidatin Madeleine Henfling aus Ilmenau im Wahlkampf brauchen. Denn die Grünen liegen in der jüngsten Umfrage unter der Fünf-Prozent-Hürde. Bei der Europawahl jüngst kamen sie in Thüringen nur auf 4,2 Prozent. So ein Ergebnis auch bei der Landtagswahl am 1. September und die Regierungspartei wäre raus aus dem Parlament, in dem sie seit 2009 sitzt.

Die Botschaft im Grünen ist klar: „Wenn man Klimaschutz und Artenschutz ernst nimmt, gibt es keine Partei, die das so konsequent, weitblickend und die Wirtschaft einbeziehend abbildet“, formuliert sie Stengele. Einige der kleineren, für die Laternenmasten vorgesehenen Plakate greifen das auf. „Klimaschutz ist Menschenschutz. Wie viel Hitze verträgst Du?“, heißt es auf einem. Auf einem anderen: „Wald mit Zukunft. Wie viel Natur willst Du?“

Die von einer Erfurter Agentur entwickelte Kampagne folgt dem Muster, dass auf eine grüne Position eine Frage folgt. „Wir stellen Fragen und wir wollen ein Angebot machen“, erläutert Spitzenkandidatin Henfling, Landtagsabgeordnete aus Ilmenau. Etwa zur Mobilität (Wahlversprechen ist ein Nahverkehr, bei dem tagsüber in jedes Dorf jede Stunde ein Bus fährt), gegen Rechts („Demokratie statt Hetze“) oder zu einer eigenständigen Energieversorgung in Thüringen.

Ziel ist es laut den beiden Spitzenkandidaten, mit den Wählern wieder ins Gespräch zu kommen. Dazu sind auch neue, leichtere Formate geplant. Bürgern von oben herab etwas diktieren zu wollen, gehe nicht, sagt Stengele. Das ist gewiss eine Schlussfolgerung daraus, dass die seit 2021 in der Ampel mitregierenden Grünen inzwischen als Bevormundungspartei verschrien sind.

Eine Million Euro will der Landesverband für den Wahlkampf ausgeben. Allein von den mobilen Großplakaten, auf denen Stengele und Henfling zu sehen sind, sollen 250 Stück aufgestellt werden. „Es wird sehr grün werden in Thüringen“, sagt Landesgeschäftsführer Michael Kost. Anfang Juli soll die Plakatkampagne starten. Auch die Spitzenleute aus Berlin sind für Auftritte eingeplant, obwohl sie ja eigentlich für den Gegenwind sorgen, der die hiesigen Grünen bremst. Den Auftakt macht nach den Schulferien Bundestags-Fraktionschefin Britta Hasselmann zusammen mit Vize-Bundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt, dem Urgestein der Landes-Grünen. Robert Habeck und Annalena Baerbock sollen im Wahlkampf ebenfalls nach Thüringen kommen.

Übrigens: So einen unberechenbaren Naturmoment erlebt im März schon die CDU. Als auch sie im Freien ihre Kampagne präsentierte, die mit der rot-rot-grünen Regierungspolitik abrechnete, wehte ein böiger Wind die Plakate reihenweise von den Ständern auf dem Erfurter Domplatz. Grund zur Häme gibt es also nicht. Zumal die Grünen, falls sie es doch wieder in den Landtag schaffen, als Regierungspartner auch für die CDU in Betracht kommen.