Vor der Mahd Drohne hilft mit, Rehkitze zu retten

Birgitt Schunk

Jäger und Landwirte in der Vorderrhön haben es sich auf die Fahnen geschrieben, Jungtiere vom Grünland zu holen, bevor die Mähtechnik anrückt. Die moderne Technik hilft dabei, dennoch sind etliche Helfer nötig.

 
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Jäger und Landwirte gemeinsam beim ersten Drohnenflug in Sachen Kitzrettung: Marcel Wohl, Dieter Büttner, Christian Schmitt, Jochen Schmitt sowie Stefan Rommel mit Tochter Stefania (von rechts). Foto:  

Mitte Mai begann auch in der Vorderrhön Agrar GmbH Hümpfershausen die Futterernte. Der Betrieb ist später dran mit dem ersten Schnitt als beispielsweise Unternehmen im Werratal – die Arbeiten sind inzwischen geschafft. Der Auftakt indes war diesmal anders als in den Vorjahren, denn am frühen, sonntäglichen Morgen, als es losging, waren auf der Wiese zwischen Friedelshausen und Oepfershausen bereits Landwirte und Jäger gemeinsam zugange. Sie suchten mit einer Drohne das Grünland ab, um Rehkitze aufzuspüren und zu bergen, bevor die Mähtechnik anrückte. Die zwanzig Pappkartons, mit denen der Nachwuchs des Rehwildes vom Grünland getragen werden sollte, blieben zum Start jedoch erst einmal leer. Enttäuscht war dennoch keiner. „Das ist doch eine gute Nachricht“, sagte Drohnenführer und Jäger Marcel Wohl. Die moderne Technik arbeitet präzise und hätte die Rehkitze mit der Wärmbildkamera entdeckt. Doch es gab zur Premiere keinen Fund. Kommen die Rehkitze schließlich ins Mähwerk, ist ihr Tod besiegelt. Und das will man vermeiden. Solange die Tiere noch sehr jung und nicht in der Lage sind, vor der modernen Technik zu fliehen, ducken sie sich einfach nur ab, wenn Gefahr droht – und das hat eben tödliche Folgen.

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Man weiß, dass die Ricke ihre Kitze gerne ins hohe Gras „setzt“ – wie es in der Jägersprache heißt. Wiesen am Waldrand gelten als gutes Terrain, weil der Nachwuchs hier sich in Sicherheit wähnt. Und wie zum Beweis, dass die Wiese an der Straße nach Kaltenlengsfeld tatsächlich im Blick des Wildes ist, zeigten sich am Ende des Drohnenüberfluges in vielleicht 200 Metern Entfernung an diesem Morgen Rehe. Ob sie schon mal Ausschau hielten nach einem guten Platz für die Nachkommen? „Die Setzzeit ist jedenfalls noch nicht vorbei – das geht bis Anfang oder Mitte Juni“, sagt Jäger Dieter Büttner. Insofern war die Gefahr insgesamt noch nicht gebannt, weitere Wiesen mussten abgesucht werden – für diese knapp 22 Hektar aber gab es an jenem Morgen grünes Licht für den ersten Schnitt.

Nachdem kein Rehkitz gefunden wurde, durfte die moderne Technik mit ihrem neun Meter breiten Mähwerk loslegen. In den Folgetagen ging die Suche nach den Jungtieren aber weiter. Drei Tage später sah das Ergebnis schon anders aus. Auf einer Wiese bei Oberkatz wurden bei der Drohnensuche gleich vier Rehkitze entdeckt und in Sicherheit gebracht, am Tag darauf waren es schon sechs. Insgesamt zwölf Jungtiere wurden gerettet. „Die Jäger hatten unseren Fahrplan und wussten, welches Grünland als nächstes an der Reihe ist und wo potenzielle Standorte sind, um Rehkitze zu setzen – genau dort haben sie gesucht“, sagt der Hümpfershäuser Agrarchef Christian Schmitt. Und das bedeutete, recht früh und noch vor dem Gang zur Arbeit den Kontrollflug zu starten. Drohnenführer Marcel Wohl, der auf dem Display die Fläche überwachte, brauchte so immer wieder weitere Helfer. Sie waren auf der Fläche unterwegs und suchten nach seiner Anweisung per Funk die entdeckten Rehkitze auf, um diese an den Rand der Mahdfläche zu tragen. War die Technik abgezogen, wurden die Kleinen wieder am alten Platz abgesetzt. Die Ricke kümmert sich dann um das Weitere und sucht ihre Kinder im Normalfall wieder auf. Das setzt allerdings voraus, dass der Nachwuchs nicht den menschlichen Geruch angenommen hat. „Deshalb ist es wichtig, dass man Handschuhe trägt oder die Kitze nur mit Grasbüscheln in der Hand aufhebt“, sagt auch Jäger Stefan Rommel, der ebenso an diesem Morgen mit dabei war. Wer die kleinen Rehe streichelt und einfach so mit bloßen Händen an den Rand trägt, tut den Tieren nichts Gutes. Wenn das Muttertier sie verstößt, ist dies das Todesurteil.

Angeschafft worden war die Drohne von den Oepfershäuser Jägern. Sie sprechen von Hege und Pflege, die neben der eigentlichen Jagd ebenso eine wichtige Rolle spielt. Doch mit dem Kauf war es nicht getan. Marcel Wohl machte den Drohnenführerschein, auch eine Haftpflichtversicherung musste abgeschlossen werden. „Selbst beim Luftfahrt-Bundesamt mussten wir uns melden“, sagt er. Neben der Kitzrettung kann die Technik auch bei der Ausübung der Jagd eingesetzt werden – wie etwa beim Aufspüren von Schwarzwild in Rapsbeständen.

Geschützt werden durch diese Maßnahme nicht nur die Rehkitze, auch der Schutz des Futters für die Viehbestände ist einer der Gründe. Deshalb arbeiten Jäger und Landwirte zusammen. „Wenn Kadaver in die Futtersilos kommt, wird die Silage vergiftet – das kann fatale Folgen für die Kühe haben“, sagt Agrarchef Christian Schmitt. Er weiß, dass mitunter auch hinterfragt wird, warum die Landwirte nun ausgerechnet in der Setzzeit mähen und weshalb sie dies nicht auf später verschieben. „Wir sind auf hochwertiges Futter für unsere Tiere angewiesen – je später wir mähen, desto geringer ist die Qualität.“ Und gehaltvolles Futter vom Grünland zu holen sei allemal besser als von den wertvollen Ackerflächen.