Vogel des Jahrhunderts Der Sieger neigt zum Erbrechen

Barbara Barkhausen

In Neuseeland wird jedes Jahr der „Vogel des Jahres“ geehrt. Dieses Jahr ging es sogar um den „Vogel des Jahrhunderts“. Dass die Abstimmung hart umkämpft sein würde, war nicht überraschend. Dank des Komikers John Oliver wurde mit besonders harten Bandagen gekämpft. Gesiegt hat ein kurioser Haubentaucher.

 
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Schwimmhilfe: Wenn die Jungen der Haubentaucher auf der Welt sind, sitzen sie gern auf dem Rücken eines Elternteils. Foto: dpa/Peter Foulds

Seine Kopffedern erinnern ein wenig an den Frisurstil Vokuhila – vorne kurz, hinten lang. Und auch sonst ist der Pūteketeke ein bemerkenswerter Vogel: Denn der Haubentaucher ist bekannt dafür, seine Küken auf dem Rücken zu tragen und sich die Verantwortung bei der Aufzucht zu teilen. Außerdem frisst der Vogel seine eigenen Federn, um Erbrechen auszulösen und so Parasiten auszutreiben.

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Seit Mittwoch nun kann dem Pūteketeke nun noch eine weitere Eigenschaft gutgeschrieben werden: Der Vogel, der auch in Australien heimisch ist, wurde in Neuseeland zum „Vogel des Jahrhunderts“ gekürt. Vorausgegangen war ein „harter Kampf der Federtiere“. Pūteketeke sei „als Außenseiterkandidat“ für den „Vogel des Jahrhunderts“ angetreten, sei dann aber „dank seines einzigartigen Aussehens, seines bezaubernden Erziehungsstils und seiner Neigung zum Kotzen“ an die Spitze katapultiert worden, wie Nicola Toki sagte. Toki ist Geschäftsführerin von Forest & Bird, der neuseeländischen Umweltorganisation, die den Wettbewerb seit fast 20 Jahren abhält.

Der Komiker ging in die Vollen

Sie und ihre Kollegen seien „nicht überrascht“, dass „diese bezaubernden Eigenschaften“ die „Aufmerksamkeit eines einflussreichen Vogelliebhabers mit einer riesigen Fangemeinde“ erregt hätten, so Toki. Dieser „einflussreiche Vogelliebhaber“ war kein Geringerer als der britisch-amerikanische Komiker John Oliver.

Oliver ging im wahrsten Sinne des Wortes in die Vollen – er selbst beschrieb seine Kampagne für Pūteketeke als „alarmierend aggressiv“. Er warb mit Werbetafeln in Neuseeland, Japan, Frankreich, Großbritannien, Indien und dem amerikanischen Bundesstaat Wisconsin für den Vogel. Ein Flugzeug mit einem Pūteketeke-Wahlkampfbanner flog über die Strände von Rio de Janeiro in Brasilien. Außerdem trat Oliver in der „Tonight Show“ von Jimmy Fallon auf in voller Haubentauchermontur.

Obwohl die Neuseeländerinnen und Neuseeländer noch versuchten, gegen diese „amerikanische Einmischung“ in ihre Vogelwahl vorzugehen, und zahlreich abstimmten und auch die Medien des Inselstaates alles daransetzten, um Unterstützung für andere Wettbewerber zu bekommen, ging der Haubentaucher mit großem Abstand als klarer Sieger hervor. Während üblicherweise um die 60 000 Stimmen abgegeben werden, kamen in diesem Jahr über 350 000 aus 195 Ländern zusammen.

Mehr als 290 000 stimmten dabei für Pūteketeke. Auf dem zweiten Platz, mit knapp 13 000 Stimmen, landete der Kiwi, den Comedian Oliver als „eine Ratte, die einen Zahnstocher trägt“, bezeichnet hatte.

Noch mehr kuriose Vögel ausgezeichnet

Die hohe Wahlbeteiligung ließ das Abstimmungsüberprüfungssystem der neuseeländischen Organisation zeitweise abstürzen, sodass sich die Bekanntgabe des Gewinners um zwei Tage verzögerte. Zudem mussten mehrere Tausend gefälschte Stimmen bei der Stimmauszählung verworfen werden. Dazu gehörten 40 000 Stimmen, die von einer einzelnen Person für den Felsenpinguin Tawaki Piki Toka abgegeben wurden. Diesen hatte Oliver bei seinem Auftritt in der „Tonight Show“ als „Hipster-Pinguin“ abgelehnt.

Die Idee hinter dem Wettbewerb ist, mehr Aufmerksamkeit für die in großen Teilen bedrohte Vogelwelt Neuseelands zu schaffen, zu der neben Pūteketeke und dem flugunfähigen Kiwi, der ebenfalls flugunfähige Eulenpapagei Kakapo und der verrückte Bergpapagei Kea gehören. Der Kea zeichnet sich dadurch aus, dass er Verkehrshütchen verrückt, Brieftaschen klaut und Schafe attackiert.

Auch die Sieger früherer Jahre bestachen durch eigenwilliges Verhalten. Einst gewann die Taubenart Kererū, die dafür bekannt ist, vergorene Beeren zu fressen und ab und zu betrunken aus Bäumen zu fallen. Auch der Gelbaugenpinguin, der seltenste Pinguin der Welt, der nicht gerade sozial ist und nur per Schrei mit anderen Artgenossen kommuniziert, stand bereits auf dem Siegertreppchen.

John Oliver ist nicht der erste Ausländer, der versucht hat, die Wahl zu beeinflussen. Auch Hacker aus Australien hatten dies in der Vergangenheit bereits getan. Einmal gab es Spekulationen über die Anzahl der Wählerstimmen aus Russland. Die mehreren Hundert Stimmen aus Russland führten die Organisatoren dann aber auf russische Ornithologen zurück, die sich für die Pfuhlschnepfe einsetzten, die jährlich zwischen den Ländern migriert. Zum Eklat führte vor zwei Jahren, dass sich ein Säugetier den Titel „Vogel des Jahres“ ans Revers heften durfte. Während die Neuseeländer eine Fledermaus mit dem klingenden indigenen Namen Pekapeka-tou-roa feierten, machte sich der Rest der Welt im Internet darüber lustig.

500 Haubentaucherküken geschlüpft

Der diesjährige Sieger, der Pūteketeke, ist wie viele andere Vögel in Neuseeland bedroht. Weniger als tausend Exemplare soll es in der Wildnis geben. Auch im benachbarten Australien geht es der Art nicht besonders gut – hier leben noch rund 2000 Vögel. Allerdings nehmen die Zahlen laut Forest & Bird langsam wieder zu. Eines der erfolgreichen Projekte, das Lake Wānaka Grebe Project, kann auf 15 aktive Nestplattformen verweisen. In den vergangenen zehn Jahren sind dort mehr als 500 Haubentaucherküken geschlüpft.

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